War das Amt des Hofnarren eine Bestrafung? Und diese immer geistig umnachtet und nur begrenzt zurechnungsfähig? In Filmen oder auch Büchern begegnen uns immer wieder Narrendarstellungen, die durch unsere Vorstellungen der Vergangenheit geprägt werden. Bestimmte Klischees ziehen sich seit Ewigkeiten durch. Doch wie viel Wahrheit steckt in dieser Darstellung?
Der Hofnarr war über Jahrhunderte fester Standteil eines Hofstaates, die jedoch ursprünglich nicht in erster Linie dazu da waren, um ihren Herren zu belustigen, sondern um ihn ständig daran zu erinnern, dass auch sein menschliches Dasein vergänglich ist und zu jeder Zeit der Sünde verfallen könnte. Der Hofnarr konnte aufgrund seiner besonderen Stellung, die ihn als Sonderling ohne Bindung an gesellschaftliche Normen deklarierte, Kritik am Herrscher äußern, die sich sonst niemand gewagt hätte. Er hatte Narrenfreiheit.
Im Mittelalter gab es zwei Arten des Narrentums - das Natürliche und das Künstliche. Ein natürlicher Narr war tatsächlich jemand, der körperlich, geistig oder seelisch eingeschränkt war. Von ihnen hielt man sich lieber fern und isolierte sie häufig vom Rest der Gesellschaft. Ein künstlicher Narr war hingegen jemand, der dieses Verhalten auf scherzhafte Weise übernahm, sich dumm oder tölpelhaft verhielt und die Menge damit unterhielt. Um glaubwürdig ihre Rolle spielen zu können, mussten sie zumindest ein gewisses Maß an Intelligenz besitzen. Ihnen brachte man dafür Sympathie und Bewunderung entgegen und freute sich ihrer Unterhaltung.
Zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert entbrannte förmlich ein Wettstreit zwischen Herrschern, wer den spektakulärsten natürlichen Narren hatte. Menschen mit Kleinwuchs oder anderen körperlichen Einschränkungen waren dabei besonders beliebt. Im Spätmittelalter waren es meist aber nur noch Menschen, die sich dumm stellten und besonderes Talent für Kunst und Unterhaltung hatten, die das Amt des Hofnarren innehatten. An manchen Höfen gab es sogar Narrenausbilder, die auffällige Kinder suchten und sie zum Narren ausbildeten. Mit fortschreitender Zeit wurden die Hofnarren meist immer intelligenter, zum Teil sogar intrigant, und nutzten ihre Talente, um sich ein schönes Leben am Hofe zu machen. Häufig setzte man Narren auch ein, um absolutistischen Herrschern Wahrheiten zu übermitteln. Gefiel dem jeweiligen Empfänger die Nachricht nicht und brandete in Zorn aus, so konnte man letztlich darauf verweisen, dass dies nur Blödsinn des Narren war.
Die Geschichte brachte eine große Zahl an berühmten Hofnarren hervor, die zum Teil sogar Karriere am Hof machten und sich als wichtige Vertraute etablierten.
Claus Narr wurde bereits im Alter von neun Jahren als Hofnarr an den Hof des sächsischen Kurfürsten Friedrich II. geholt. Aufgrund seines Aussehens und seines seltsamen Verhaltens gilt er als natürlicher Narr. Die sächsischen Herrscher vererbten ihn an ihre jeweiligen Nachfolger weiter, zwischen 1500 und 1513 wurde er jedoch an den Erzbischof von Magdeburg ausgeliehen, kehrte nach dessen Tod aber wieder nach Sachsen zurück. Claus Narr war Zeichnungen und Berichten nach zu urteilen, wohl körperlich und geistig schwer eingeschränkt, brachte es aber zu solch einer Bekanntheit, dass Hans Sachs, der wohl bekannteste Meistersinger, ihm sogar einen Schwank (volksnahe Erzählung oder Theaterstück) widmete. Darin charakterisierte Sachs ihn als geistreichen und sarkastischen Kritiker der katholischen Kirche. Andere Quellen stellen Claus Narr jedoch als Eigenbrötler dar, der verwirrten Wahnvorstellungen neigte. Die Geschichten um diesen seltsam anmutenden Hofnarren wuchs derart an, dass Pfarrer Wolfgang Büttner 1572 das Buch "Sechshundert sieben und zwantzig Historien von Claus Narrenn" herausbrachte. Es wurde im 16. und 17. Jahrhundert förmlich zum Bestseller. Viele dieser Geschichten berichteten immer wieder von prophetischen Aussagen des Hofnarren, die zum Teil schließlich sogar wahr wurden.
Perkeo war Hofzwerg des Kurfürsten Karl III. Philipp von der Pfalz. Im Alter von 16 Jahren traf dieser wohl zum ersten Mal auf Karl Philipp, der von der Trinkfestigkeit und Schlagfertigkeit des kleinwüchsigen Mannes so beeindruckt war, dass er ihn mit zu sich an den Hof nahm. Dort wurde er nicht nur zum Hofnarren, sondern auch zum Hüter des großen Fasses im Heidelberger Schloss - eine noch heute oft besuchte Touristenattraktion der Stadt. Der Künstlername Perkeo entstand, weil er auf Fragen häufig mit dem italienischen „perché no?“ ("Warum nicht?") antwortete. Das Trinklied Perkeo berichtet bis heute von ihm und in Heidelberg ist er bis heute Traditionsfigur, die vor allem die heimische Weinkultur symbolisiert.
Joseph Fröhlich war ebenfalls Hofnarr eines sächsischen Kurfürsten, allerdings erst rund hundert Jahre nach dem Tod von Claus Narr. Auf der Walz lernte der Sohn eines Müllers erste Taschenspieltricks, die ihm später eine erste Anstellung als Hoftaschenspieler bei Markgraf Georg Wilhelm ermöglichten. 1726 wurde er als zweiter Hoftaschenspieler am Hof August des Starken engagiert, der nicht nur Kurfürst von Sachsen, sondern auch König von Polen und Großfürst von Litauen war. Gemeinsam mit dem ersten Hoftaschenspieler Gottfried Schmiedel bildeten sie 30 Jahre lang ein drolliges Paar am Hofe. Joseph ist wohl eher als künstlicher Narr zu verstehen, denn von sonderbaren Verhalten oder einem auffälligen Äußeren ist nicht zu lesen. Er war zweimal verheiratet und hatte insgesamt fünf Kinder, lebte also ein scheinbar normales Leben, nur dass er seinen Lebensunterhalt mit derben Sprüchen und Zaubertricks verdiente. Auch nach dem Tod Augusts blieb er am Hof und diente dessen Sohn Friedrich August II. Joseph Fröhlich war seinen Zeitgenossen wohl bekannt und wurde sogar fast noch häufiger in Kunstwerken festgehalten als August selbst. Einige dieser Werke kann man heute in der Staatlichen Kunstsammlung Dresden besichtigen.
Kunz von der Rosen legte eine steile Karriere am Hofe des Kaisers Maximilian I. hin und entspricht wohl kaum dem klassischen Narrenbild. Durch Scherze und Streiche wurde er bekannt, plante sogar seinen König und Kaiser als Priester verkleidet aus einem Gefängnis zu befreien. Er galt als überaus intelligent und ging mit Worten so geschickt um, dass er die Menschen um sich stets zum Nachdenken anregte. Zu seiner Zeit stellte man ihn nie in einer hofnärrischen Tracht dar, stattdessen bezeichnete er sich hingegen oft selbst ironisch als Narr. Er galt als ehrenwerte Persönlichkeit, der mit seinen Scherzen nie Sitten und Anstand verletzte. Er stieg zum Berater Maximilians I. auf und genoss Redefreiheit an dessen Hof. Das Porträt könnte einigen wohl ziemlich bekannt vorkommen, denn bis heute wird es oft fälschlicherweise als Bildnis Klaus Störtebekers bezeichnet. Dieser Irrtum geht zurück auf die Umwidmung des Bildes im Jahr 1682 durch einen Kunsthändler.