Der deutsche Widerstand im Nationalsozialismus
Der bürgerliche Widerstand im 3. Reich
Seit 1940 trafen sich oppositionell gesinnte Männer und Frauen aus unterschiedlichen sozialen Schichten und geistig-weltanschaulichen Traditionen in Berlin und München, vor allem aber auf dem schlesischen Gut Kreisau, um über die Grundmuster einer geistigen, politischen und sozialen Neuordnung für die Nachkriegszeit zu sprechen.
Die Gesprächsgruppe bildete sich aus dem Freundeskreis von Helmuth James Graf von Moltke und seiner Ehefrau Freya sowie Peter Graf Yorck von Wartenburg und seiner Ehefrau Marion. Persönliche Kontakte zu sozialdemokratischen bzw. gewerkschaftlichen Mitgliedern stammten aus der Zeit gemeinsamer Arbeit in der schlesischen Jugendbildungsstätte Boberhaus. Das Berghaus, in dem man sich traf, gehörte zum Gutsbezirk von Kreisau, dessen Mittelpunkt ein Schloss bildete.
Die ländliche Abgeschiedenheit und die persönlich-freundschaftliche Vertrautheit des Kreises, dessen Bezeichnung als „Kreisauer Kreis“ aus den Ermittlungen der Gestapo stammt, erlaubten ein relativ unverdächtiges Zusammentreffen. Zu dem engeren Kreis gehörten Horst v. Einsiedel, Carl Dietrich v. Trotha, Adolf Reichwein, Hans Peters, Hans Lukaschek, Carlo Mierendorff, Theodor Steltzer, Adam v. Trott zu Solz, Hans-Bernd v. Haeften, Harald Poelchau, Alfred Delp, Theo Haubach, Eugen Gerstenmaier, Paulus van Husen und Julius Leber.
Auf den größeren Tagungen Pfingsten 1942, Oktober 1942 so wie Pfingsten 1943 wurden wichtige verfassungs- und gesellschaftspolitische Denkschriften ausgearbeitet. Die Programmatik war von christlich-ethischen, sozialreformerischen Gesichtspunkten bestimmt und sah einen föderalen Staatsaufbau von unten nach oben sowie die Integration Deutschlands in eine europäische Ordnung vor.
Seit 1943 waren einige Mitglieder des Kreises entschlossen, sich aktiv an der politischen Verschwörung gegen das NS-Regime zu beteiligen. Sie suchten Kontakt zu entschiedenen Regime-Gegnern wie Ludwig Beck, Carl Goerdeler, Ulrich v. Hassell und Claus Schenk Graf v. Stauffenberg.
Im Januar 1944 wurde Helmuth James Graf v. Moltke verhaftet; im Juli 1944 wurden die beiden Sozialdemokraten Adolf Reichwein und Julius Leber fest genommen, als sie versuchten, Kontakte zum kommunistischen Widerstand herzustellen.
Wegen dieser Verbindungen wurden die meisten Mitglieder des Kreisauer Kreises nach dem Attentat von Stauffenberg auf Hitler am 20. Juli 1944 als Mitverschwörer verhaftet und zum Tode verurteilt. Nur wenige Kreisauer konnten ihr Leben retten und später, wie z. B. Eugen Gerstenmaier, das politische Leben der Bundesrepublik mitprägen.
Widerstand hinter Stacheldraht
Am 12./13. Juli 1943 wurde im Saal des Ortssowjets von Krasnogorsk bei Moskau das „Nationalkomitee Freies Deutschland“ (NKFD) als Sammlungsbewegung von kommunistischen deutschen Emigranten und von kriegsgefangenen deutschen Offizieren in einer „Mischform von patriotischer Bürgerversammlung und marxistischer Parteidebatte“ (J.v. Puttkammer) gegründet.
Der Schriftsteller Erich Weinert (KPD), der zum Präsidenten gewählt wurde, erinnerte in seiner Grundsatzrede an die Traditionen deutsch-russischer Waffenbrüderschaft und forderte zur Rettung des deutschen Vaterlandes, zum Sturz der Regierung Hitler und zur Bildung einer „wahrhaft deutschen Regierung“ auf.
Die Offiziere und Soldaten, die sich dem NKFD anschlossen, verstanden sich selbst als Widerständler. Sie wollten nach der Katastrophe von Stalingrad etwas unternehmen, damit ihren Kameraden und dem deutschen Volk ein ähnliches Schicksal wie der 6. Armee erspart bliebe und dem Missbrauch soldatischer Tugenden durch Hitler ein Ende bereitet würde. Diese Zielsetzung und die daraus abgeleiteten Propagandaaktivitäten rechtfertigen es, auch wenn die Rolle des NKFD nach wie vor umstritten bleibt, den Kreis des militärischen Widerstandes um die Offiziere und Soldaten zu erweitern, die in den Kriegsgefangenenlagern nicht tatenlos zusehen wollten, wie das NS-Regime Deutschland in den Abgrund stürzte.
Dem NKFD gehörten dreizehn kommunistische Emigranten an, an der Spitze Wilhelm Pieck und der spätere Staatsratsvorsitzende der SED Walter Ulbricht, zwölf Offiziere sowie dreizehn deutsche Unteroffiziere und Soldaten.
Höherrangige deutsche Offiziere lehnten wegen des politisch-propagandistischen Übergewichts der kommunistischen Emigranten zunächst einen Beitritt ab, bis die sowjetischen Funktionäre zusätzlich den „Bund deutscher Offiziere“ (BDO) gründeten und den Offizieren die mündliche Zusage gaben, die sowjetische Regierung werde sich nach einem Staatsstreich gegen Hitler für die Erhaltung eines Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 einsetzen. Die Hoffnungen des Offiziersbundes, die Interessen der deutschen Kriegsgefangenen vertreten zu können, erwiesen sich allerdings bald als illusionär.
Nach Kriegsende wurde das NKFD aufgelöst. Die kommunistischen Emigranten gingen als KPD-Kader in die sowjetische Besatzungszone (spätere DDR), die Offiziere gingen unterschiedliche Wege, einige auch in die SBZ, um den Aufbau der dortigen Streitkräfte zu übernehmen.
Die Widerstandsgruppe "Weiße Rose"
Die Weiße Rose gehörte zu den stärksten Manifestationen des Widerstandes gegen die NS-Herrschaft. Das Denken und Handeln der studentischen Widerstandsgruppe wurde zum Sinnbild des unerschrockenen Gewissens, das sich nach anfänglichem Enthusiasmus für den Nationalsozialismus angesichts der zerstörerischen Politik der NS-Diktatur ausbildete und zum Widerstand drängte.
Hans und Sophie Scholl, geboren 1918 bzw. 1921, stammten aus bürgerlichem Hause. Der Vater war in den 1920er Jahren Bürgermeister im Schwäbischen, danach Wirtschafts- und Steuerberater. Das NS-Regime lehnte er entschieden ab, was seine Kinder Hans und Sophie nicht daran hinderte, sich auf der Suche nach jugendlicher Selbstverantwortung und Gemeinschaft der Hitler-Jugend anzuschließen. Hans wurde HJ-Fähnleinführer und 1935 ausgewählt, die Fahne des Ulmer HJ-Stammes zum Reichsparteitag nach Nürnberg zu tragen. Bald jedoch empfand er den Drill und die Erziehung zur Unmündigkeit in der HJ als unerträglich. Durch seinen Widerspruch verlor er seinen Führerposten. Das Foto zeigt Hans und Sophie Scholl!
Das NS-Regime lehnte er entschieden ab, was seine Kinder Hans und Sophie nicht daran hinderte, sich auf der Suche nach jugendlicher Selbstverantwortung und Gemeinschaft der Hitler-Jugend anzuschließen. Hans wurde HJ-Fähnleinführer und 1935 ausgewählt, die Fahne des Ulmer HJ-Stammes zum Reichsparteitag nach Nürnberg zu tragen. Bald jedoch empfand er den Drill und die Erziehung zur Unmündigkeit in der HJ als unerträglich. Durch seinen Widerspruch verlor er seinen Führerposten.
Hans suchte Ersatz in einer illegalen bündischen Gruppierung, die zu der ehemaligen Deutschen Jungenschaft „d.j.1.11.“ gehörte. Im Spätherbst 1937 fielen Hans und Sophie zusammen mit ihren jüngeren Geschwistern der Gestapo in die Hände, die solche „bündischen Umtriebe“ verfolgte.
Obwohl Hans mittlerweile seinen Wehrdienst leistete, musste er, wie zunächst auch seine Geschwister, in Untersuchungshaft, die er aber durch die Fürsprache seines Schwadronchefs bald verlassen konnte. Eine allgemeine Amnestie im Sommer 1938 erledigte die Affäre.
Im Sommer 1939 begann Hans mit dem Medizinstudium in München. Im Hörsaal und in der Kaserne kreuzten sich die Wege von Hans Scholl, Christoph Probst, Alexander Schmorell und Willi Graf. Drei Repräsentanten des katholischen Deutschland, Carl Muth, der ehemalige Herausgeber der Zeitschrift „Hochland“, der Publizist Theodor Haekker und der Philosophie-Professor Kurt Huber wurden zu Mentoren des Freundeskreises. Unter ihrem Einfluss formte sich in Lese- und Gesprächsabenden ein christlich geprägtes politisches Bewusstsein, das die nationalsozialistische Lehre zunehmend als Irrlehre begriff.
Zur Religiosität kam ein Blick für das Politische hinzu, das für Hans und Sophie schon im Elternhaus eine Rolle gespielt hatte. Die offene Sprache der Predigten von Bischof Graf von Galen in Münster, die auch dem Münchener Freundeskreis bekannt wurden, war für sie endgültiger Anstoß, um zum Widerstand aufzurufen. In ihren ersten vier Flugblättern vom Juni 1942 griffen Hans Scholl und Alexander Schmorell in einer kämpferischen, geißelnden Sprache das NS-Regime als „Diktatur des Bösen“ an und forderten eine neue staatliche Ordnung der Freiheit und des Gemeinwohls.
Bis zum Juli 1942 wurden die „Flugblätter der Weißen Rose“, wie die Gruppe sich nannte, in einer Auflage von jeweils rund 100 Exemplaren verbreitet. Von Ende Juli bis Ende Oktober 1942 leisteten die Freunde ihre Feldfamulatur an der Ostfront ab.
Zurück in München bemühten sie sich im November und Dezember um Kontakte zu anderen Widerstandsgruppen und um Ausdehnung ihrer Aktivitäten in andere Städte. Ein fünftes Flugblatt wurde am 13. Januar 1943 fertiggestellt und per Post verschickt bzw. in der Münchener Innenstadt ausgestreut.
Nun setzte sich die Gestapo auf die Fährte der Gruppe, die auf die Katastrophe von Stalingrad mit einem sechsten Flugblatt reagierte, das zum Widerstand und zur Wiederherstellung der Freiheit aufrief. Beim Verteilen dieses Flugblattes in der Münchener Universität wurden Hans und Sophie Scholl am 18. Februar 1943 überrascht und festgenommen.
Bereits am 22. Februar wurden den beiden Geschwistern und Christoph Probst der Prozess vor dem Volksgerichtshof gemacht, noch am selben Tag wurden sie hingerichtet.