Das Führerprinzip

Adolf Hitler, der „Führer der Nation“, war der Dreh- und Angelpunkt im NS-Herrschaftssystem.

Bereits vor der NS Machtübernahme wurde er im politischen Kult des Nationalsozialismus als Retter und Erlöser propagiert; er stützte seinen Machtanspruch auf seinen Führer-Nimbus. Hunderte von „Alten Kämpfern“ der NSDAP führten in ihren Biographien ihren Einsatz für die NSDAP auf eine Erweckung und Bekehrung durch Hitler zurück. „Da gab es nur noch eine Sache für mich“, schrieb einer von ihnen, „entweder mit Adolf Hitler zu gewinnen oder für ihn zu sterben. Die Persönlichkeit des Führers hatte mich total in ihrem Bann.“ Ein anderer sah in seiner „Verpflichtung“ für Adolf Hitler den „wahren Inhalt“ seines Lebens. Denn in Hitler entdeckte er die „reinste Verkörperung des deutschen Charakters“.

Im Führerkult bündelten sich die unterschiedlichsten sozialen Erwartungen, die Hitler in der NS-Bewegung wie in zunehmendem Maße auch in der deutschen Gesellschaft zu mobilisieren und auf seine Person zu vereinigen verstand.

Bereits in Georg Schotts „Volksbuch von Hitler“ von 1924, einem frühen Produkt einer Führererwartung und Gefolgschaftsbereitschaft, finden sich viele Belege für ein propagandistisches Angebot, das instinktsicher ein vorhandenes quasi-religiöses Bedürfnis nach Bekehrung und Verehrung zu befriedigen suchte. Da war die Rede vom „prophetischen Menschen“, vom „Genie“, vom „Erwecker“ und „Befreier“. 

Portrait Adolf Hitler
Portrait Adolf Hitler

Eine solche Erwartung und Wirkung erklärt sich kaum aus den persönlichen Charakterzügen und menschlichen Qualitäten Hitlers, der bis zu seinem 30. Lebensjahr ein sozialer und politischer Niemand war. Der Aufstieg dieses „Mannes ohne Eigenschaften“ beruht vielmehr auf seinen außerordentlichen Fähigkeiten als Redner und Propagandist, die es ihm erlaubten, die im national-völkischen Lager verbreiteten Erwartungen auf einen nationalen Erlöser auf seine Person zu beziehen.

Seit der Wiederbegründung der NSDAP im Dezember 1924 entfaltete sich der Hitler-Mythos, begann die Selbstinszenierung Hitlers als „Führer“, auf den alle gewartet hatten. Es entwickelten sich Rituale einer politischen Glaubensgemeinschaft und einer auf den Führer verpflichteten Bereitschaft zur fanatischen Gefolgschaftstreue. Nach der Machtübertragung am 30. Januar 1933 erfasste diese Führererwartung und -verehrung immer weitere Teile der Gesellschaft. 

Mit der freiwilligen Übertragung des Fahneneides auf Hitler durch die Wehrmacht 1935 vollzog sich die gesellschaftliche Selbsteinbindung auf breiter Front.

 


Fahneneid der Wehrmacht auf Adolf Hitler
                                                                                                   Fahneneid der Wehrmacht auf Adolf Hitler

 


 

Der Führer-Mythos und Führerkult

„Hitler in seinen Bergen“ – das war ein unerschöpfliches Thema der nationalsozialistischen Propaganda und Titel eines 1935 erschienenen Fotobandes, mit dem Hitlers „Hoffotograf“ Heinrich Hoffmann einmal mehr den Führer-Mythos auf fotografischem Wege verbreitete. Erste Aufnahmen von Hitlers Landsitz auf dem Obersalzberg und von seinen Spaziergängen im Berchtesgadener Land zeigten Hitler 1932 noch eher als erholungssuchenden Sommerfrischler; bereits einige Wochen nach der Machtübernahme verkündeten Fotos, die in bürgerlichen Illustrierten oder ersten Bildbänden publiziert wurden, den Kanzler und „Führer“ in deutlichen Stilisierungen als Naturliebhaber und Tatmenschen.

 


              hitler-vor-seinem-landhaus-am-obersalzberg Hitler vor seinem Landhaus am Obersalzberg

Indem das Publikum mit den privaten Verhältnissen (oder dem, was davon vorzeigbar war) vertraut gemacht wurde, sollte ein Bild von Hitler als „Volkskanzler“ geschaffen werden, der freundlich mit Nachbarn spricht und Kinder hätschelt, der in der Erhabenheit der Bergwelt Einsamkeit sucht, um schwere Entscheidungen zu treffen. Bald erschienen Aufnahmen Hoffmanns, der sich eine monopolähnliche Stellung als Hofberichterstatter eroberte, auch als Postkarten, wie auch das ursprünglich 1933 publizierte Foto vom Obersee, das seit 1936 einem Millionenpublikum im Fotoalbum des „Cigaretten-Bilderdienstes“, erschienen unter dem Titel „Bilder aus dem Leben des Führers“, verkauft wurde.

Die Alpenlandschaft bildete die geeignete Kulisse, um Hitler naturliebend, nachdenklich und selbstbewusst darzustellen. Alle Klischees des späten 19. Jahrhunderts wurden von den Propagandisten aufgeboten, um die Botschaft von „Größe“ und „Schlichtheit“ der Landschaft wie des vor ihr abgebildeten Heroen zu vermitteln, um von der Entschlusskraft des „Führers“ zu künden, der in der Bergwelt die Quelle neuer Kräfte und einer Gesundung des Volkes suchte. Den Retter aus den Bergen hatten schon seit der Jahrhundertwende völkische Romane herbeigesehnt, nun verkündeten die Bildbände und Fotos seine Ankunft: „Seht ihr ihn herniedersteigen über die Berge, den Bringer neuer Werte, an denen wir alle unsere Taten messen können? Nennt ihn, wie ihr wollt! Aber freut euch, daß er wieder da ist – der ‚Tatmensch’, auf den ihr alle gewartet habt!“

 

 

jkj

Im „Führer-Mythos“ bündelten sich die unterschiedlichsten sozialen und politischen Erwartungen und Vorstellungen, die schon lange vor Hitlers Aufstieg zur Macht formuliert worden waren, die von ihm instinktsicher aufgegriffen und auf seine Person bezogen wurden. Solche Erwartungen eines Retters und Befreiers und ihre politische Wirksamkeit erklären sich nicht aus persönlichen Charakterzügen und Qualitäten Hitlers, sondern aus den wirksamen Identifikationen, die er dank seiner Fähigkeiten als Redner und Propagandist auf seine Person lenken und diese immer wieder erneuern konnte. Er ist es, so lautete die Botschaft, der als „Bringer neuer Werte“ aus den Bergen herabstiegen ist.
 

Die Inszenierung des Führer-Mythos

 

 

Unter den mehrtägigen Masseninszenierungen im Rahmen der Nürnberger Reichsparteitage der NSDAP gehörte der Appell der HJ zu den Höhepunkten.

Er fand seit 1933 im Nürnberger Städtischen Stadion in unmittelbarer Nähe der anderen Aufmarschplätze in einem Sport- und Volkspark am Rande der Stadt statt. Etwa 50 000 Jungen und Mädchen, die während der Dauer der Parteitage in einem großen Zeltlager untergebracht waren, kamen im Stadion zusammen und füllten dort Spielfeld und Tribünen.

Das Stadion war in den Jahren 1926 bis 1928 erbaut worden und hatte 1928 dank seiner eleganten, im funktionalen Stil errichteten Haupttribüne beim Kunstwettbewerb der Nationen anlässlich der IX. Olympischen Spiele in Amsterdam eine Goldmedaille erhalten. Es wurde, nur um eine Holztribüne auf der Gegengeraden ergänzt, nahezu unverändert in das Ritual der NS-Parteitage einbezogen.

Am „Tag der HJ“, dem sechsten Tag in der Programmfolge der Parteitage, fuhr der „Führer“ im offenen Wagen wie in einem feierlichen Einzug durch das Stadionoval, um sich bejubeln zu lassen und „jedem der Jungen ins Auge zu schauen“, wie es später in offiziellen Berichten hieß. Gerade auf den Parteinachwuchs kam es den Regisseuren an. Die Jugendorganisation der NSDAP allein trug den Namen Hitlers.

1935 wurde für 1.200 ausgesuchte Hitlerjungen erstmals ein Sternmarsch, der „Adolf Hitler Marsch der deutschen Jugend“, organisiert, der nach der Station in Nürnberg mit einem Bekenntnisbesuch in Landsberg am Lech endete, wo Hitler 1924 inhaftiert war. Das Zeremoniell in Nürnberg war ganz auf die Führer-Verehrung ausgerichtet und appellierte an das Gemeinschaftsgefühl der Jugendlichen. „Ihr müßt in eure jungen Herzen nicht Eigendünkel, Überheblichkeit, Klassenauffassungen, Unterschiede von reich und arm hineinlassen. Ihr müßt euch vielmehr in eurer Jugend bewahren, was ihr besitzt, das große Gefühl der Kameradschaft und der Zusammengehörigkeit“, rief Hitler der HJ 1933 zu. Bekenntnislieder („Uns’re Fahne flattert uns voran“) umrahmten das Programm und bekräftigten die emotionale, politische Botschaft.

Beim Reichsparteitag 1935 machte Hitler dann deutlich, wie er sich den Parteinachwuchs vorstellte: „Unser Volk wird zusehends disziplinierter, straffer und strammer, und die Jugend beginnt damit […] In unseren Augen muß der deutsche Junge der Zukunft schlank und rank sein, flink wie die Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl“.

Hans-Ulrich Thamerg

 

 

 

 

 

 
 
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