Zweiter Weltkrieg Spionage

 

Den Haag, Nieuwe Parklaan 57, Donnerstag, 9. November 1939. In der niederländischen Spionagezentrale des britischen Geheimdiensts besteigen vier Männer einen blauen Ford Lincoln Zephyr, Baujahr 1937, Kennzeichen H-43026. Ihr Ziel ist Venlo an der niederländisch-deutschen Grenze.  

Venlo Zwischenfall

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Auszug aus dem Dossier des britischen Außenministeriums vom 23. November 1939 über den Venlo-Zwischenfall

 

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Übersetzung zu Dokument 3

Auszug aus dem Dossier des britischen Außenministeriums vom 23. November 1939 über den Venlo-Zwischenfall

GEHEIM

Bevor wir entscheiden, welche Linie wir in Bezug auf die deutsche Erklärung, die gestern Abend an die Presse herausgegeben wurde, einschlagen sollen, müssen wir bedenken, dass es gewisse unbekannte Faktoren gibt. Der wichtigste ist die Frage nach der Rolle, die die Gestapo in dieser Angelegenheit gespielt hat. Es ist möglich – wenn auch unwahrscheinlich –, dass die Gestapo von Anfang an hinter den Annäherungsversuchen der „Deutschen Generäle“ stand. Unsere Vertreter vor Ort, die lange Verhandlungen mit diesen Deutschen geführt haben, waren von ihrer Authentizität überzeugt, und unsere Vertreter waren Männer mit großer Erfahrung und profunden Kenntnissen in Bezug auf Deutschland und die Deutschen. Auch der Leiter des S.I.S. war der Meinung, dass sie authentisch waren; es gibt gewisse Dinge, die unseren Leuten vor Ort nicht bekannt waren. Wir müssen daher zu dem Schluss kommen, dass die Bilanz der Beweise zeigt, dass die „Fühler“, die wir empfangen haben, ursprünglich jedenfalls nicht Teil eines von Herrn Himmler organisierten Komplotts waren. Wenn wir andererseits jedoch annehmen, dass sie authentisch waren – und vielleicht noch sind –, dann steht fest, dass die Gestapo davon Wind bekommen haben muss, bevor sie den Vorfall vom 9. November inszenierte; und es ist auch klar, dass es ihnen bis zu jenem Zeitpunkt gelungen sein muss durch Anwendung von Folter sämtliche Informationen von einem oder beiden unserer Vertreter erpressen zu können. Möglicherweise haben sie auch von den beiden Vertretern der deutschen Generäle Geständnisse erlangen können. Es ist daher legitim, sämtliche Mitteilungen von „den Generälen“ nach dem 9. November als mögliche Fälschungen anzusehen. Andererseits könnte die gestern Nacht von den Deutschen gemachte Behauptung, dass wir „den Generälen“ einen Funksender übergeben hätten, auf einem Geständnis beruhen und muss nicht unbedingt bedeuten, dass sie entweder im Besitz des Gerätes sind oder die tatsächliche Identität seines Besitzers kennen. Alles, was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass sie versuchen, die Übergabe eines Funkgerätes an deutsche Dissidenten mit dem Attentat auf den Führer in Verbindung zu bringen.

Wie sollten wir uns in Anbetracht dieser Tatsachen und der in dem beigefügten Memorandum dargelegten Fakten jetzt verhalten? Es scheint mir, dass es, wenn wir nicht zwischen zwei Stühlen sitzen wollen, nur zwei Alternativen gibt. Entweder sollten wir völlige Unkenntnis in Bezug auf die deutschen Anschuldigungen beteuern und rundheraus leugnen, jemals mit irgendwelchen deutschen Dissidenten durch drahtlose oder andere Mittel in Kontakt gestanden zu haben, oder wir sollten die ganze Geschichte, die aus unserer Sicht nichts Verwerfliches enthält, zu den Akten legen.

Für den ersten Weg spricht (a), dass wir, wenn die Gestapo die Identität der Schuldigen noch nicht entdeckt hat, sie weiter abschirmen und so doch noch einen Staatsstreich erreichen könnten, (b) dass es prinzipiell keine schlechte Regelung ist, jede Verantwortung für geheimdienstliche Aktivitäten zu leugnen, (c) dass den Deutschen ohnehin niemand glaubt und (d) dass ihre wirre Mitteilung widersprüchliche Aussagen enthält. Dem ist entgegenzuhalten, (a) dass wir den Franzosen bereits mitgeteilt haben, dass wir mit deutschen Generälen in Verbindung standen (obwohl wir den Franzosen gegenüber die Funkverbindung nie erwähnt haben), (b) dass aufgrund der eklatanten Indiskretionen von Frau Stevens und Frau Best eine große Anzahl von Privatpersonen bereits über die „Verhandlungen“ und den Funkverkehr Bescheid wissen, (c) dass die holländische Regierung anscheinend schon längst über die Aktivitäten des Passkontrollbeamten informiert war; (d) dass wir der hiesigen Presse bereits untersagt haben, über den Vorfall in Venlo zu berichten. 

Für den zweiten Weg mag sprechen, dass in solchen Angelegenheiten Ehrlichkeit die beste Politik ist und dass ein Bericht über die tatsächlichen Vorgänge den bestehenden Eindruck verstärken würde, dass in Deutschland nicht alles in Ordnung ist. Außerdem würde die Veröffentlichung eines Indizienberichts durch die Regierung Seiner Majestät den geringsten Verdacht zerstreuen, dass wir doch irgendwie mit dem Münchner Bombenzwischenfall in Verbindung stehen. Schließlich ist es kaum vorstellbar, dass wir durch eine öffentliche Erklärung, die dem unglücklichen Stevens zweifellos bereits abgenommen wurde, mögliche monarchistische Verschwörer noch mehr gefährden würden, als dies bereits der Fall ist. Andererseits ist es denkbar, dass die Gestapo nur darauf wartet, dass wir zugeben, vor dem 8. November mit vermeintlichen deutschen Dissidenten in Verbindung gestanden zu haben, um dann sagen zu können: „Das beweist, dass Großbritannien die Bombe gelegt hat“. [Nicht, dass dies große Überzeugungskraft hätte, wenn der Putsch ihren eigenen Angaben entsprechend schon vor Monaten in der Schweiz geplant wurde].

Ich gestehe, dass mir der zweite Weg, als eine Wahl zwischen zwei Übeln, im Großen und Ganzen besser erscheint; und in der Hoffnung, dass die Regierung Seiner Majestät ihn oder etwas Ähnliches annehmen wird, lege ich den Entwurf einer Erklärung vor, die an die Presse übergeben werden könnte.