»Die Sonne ist nicht verschwunden, weil die Blinden sie nicht sehen.«
– Die heiligen Frauen
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Die Himmlischen Offenbarungen der hl. Birgitta. Manuskript aus dem Nachlass des Herzogs von Urbino, 15. Jahrhundert (Dok. 1)
Transkription
Incipit liber primus revelationum sancte Brigide. Et primo | de certificatione
carnationis Christi et de modicitate fidei hominum | et amore Dei erga nos.
Capitulum primum.
Ego sum creator celi et terre, unus in dei|tate, cum Patre et Spiritu
Sancto. Ego, | qui prophetis et patriarchis loquebar | et quem ipsi
expectabant. Ob quorum | desiderium et iuxta promissionem meam |
assumpsi carnem sine peccato et concupis|centia, ingrediens viscera virginea
tanquam | sol splendens per lapidem mundissimum. | Quia, sicut sol vitrum
ingrediendo non ledit, sic nec virginitas virginis | in assumptione humanitatis
mee non est corrupta. Ego autem, sic as|sumpsi carnem, ut non
derelinquerem deitatem meam, et non minor eram | in deitate cum Patre et
Spiritu Sancto omnia regens et implens, licet in | utero virginis essem cum
humanitate. Quia sicut splendor numquam | seperatur ab igne, sic deitas
mea numquam ab humanitate seperata est | nec in morte. Deinde, corpus
meum mundissimum a peccato pro peccatis | omnium a planta pedis usque
ad verticem lacerari volui et cruci affigi. | Hoc etiam cottidie nunc in altari
immolatur, ut tanto amplius me homo | diligeret et frequentius beneficia
mea recoleret. Sed nunc ex toto ob|litus et neglectus sum et contemptus et,
tanquam rex a proprio regno ex|pulsus, in cuius loco latro pessimus est
electus et honoratus, in homine | denique regnum meum esse volui et super
eum devenire rex et dominus esse | deberem, qui feci eum et redemi. Sed
nunc fregit et profanavit fi|dem, quam michi promisit in baptismo, violavit et
sprevit leges meas, | quas ei proposui. Diligit voluntatem propriam et me
audire contemp|nit. Insuper et pessimum latronem, diabolum, super me
exaltat et ei | fidem suam dedit. Qui vere latro est, quia animam hominis,
quam sang|uine proprio redemi, ipse, mala suggerendo et falsa pollicitando,
ad se | rapit; ne ideo rapit quasi quod potencior me sit, cum ita sim potens,
| ut omnia possim verbo, ita iustus, ut nec minimum, quod etiam si omnes |
sancti rogarent me, non facerem contra iustitiam, sed quia homo li|bero
arbitrio, datis voluntarie mandatis meis contemptis, consensit | diabolo, ideo
iustum est, ut homo tiranidem eius experiatur. Quia ipse || [f. 1v] diabolus a
me bonus factus, sed, mala voluntate sua corruens, quasi ser|vuus meus est
ad vindictam malorum. Sed licet modo ita despectus sim, | tam ita misericors
sum, ut quicumque misericordiam meam petierit | et se humiliaverit,
indulgebo(a) eis quod commiserat, et ab iniquo latrone libe|rabo eos; qui,
autem, in contemptu meo prestiterint, visitabo super eos | iustitiam meam,
ita ut audientes contremiscent et qui experientur dicent|ve «quia unquam
Dominum maiestatis ad iram provocavimus»1. Tu, autem, | filia mea, quam
elegi michi et cum qua spiritu meo loquor, dilige me toto | corde, non sicut
filium et filiam seu parentes, sed plusquam aliquid in mundo, | quia ego
creavi te, nullo menbro meo peperci propter te(b) ad supplicium. | Et adhuc
sic caritative diligo animam tuam ut, antequam ea carerem adhuc | iterum
pro ea, si possibile esset, cruci affigerer. Imitare humilitatem meam, | quia
ego, rex glorie et angelorum, pannis vilibus(c), indutus fui, ad columnas |
nudus stabam, omnia obprobria et derisiones audivi auribus meis. | Propone
etiam voluntatem meam voluntati tue, quia mater mea, domina tua, | a
principio usque ad finem, numquam aliud voluit, nisi quod ego. Si hec |
feceris, tunc cor tuum erit cum corde meo et inflamabitur dilectione | mea,
quemadmodum aridum aliquid facile inflamatur ab igne; anima tua |
implebitur de me et ego ero in te, ita ut omnia temporalia fient tibi ama|ra,
omnis voluptas carnis quasi venenum. Requiesces in brachiis dei|tatis mee,
ubi nulla voluptas carnis, sed gaudium et delectacio spiritus, | qua anima
delectata, interius et exterius plena est gaudio nec aliud | cogitat vel cupit
nisi gaudium quod habet. Dilige ergo me solum, et omnia | habebis que
velis, et habundabis. Numquid non scriptum est, quod | oleum vidue non
defecit usque quo Dominus dedit pluviam super terram, iuxta | verbum
prophete2? Ego sum verus propheta, si verbis meis credideris | et compleveris
ea, oleum, gaudium et exultacio tibi non deerit usque | in sempiternum.
(a) Im Manuskript: indulgendo.
(b) Im Manuskript: te propter.
(c) Im Manuskript: panis visibilis.
1 Vgl. Lam. 3, 42.
2 Vgl. 1Re, 17, 14-16.
Übersetzung
Es beginnt allhier das erste Buch der himmlischen Offenbarungen und Geheimnisse
Gottes.
Kapitel I.
Worte unseres Herrn Jesu Christi an seine auserwählte, vielgeliebte Braut, worin er
sie seiner unübertrefflichen Menschwerdung versichert, auch die Bosheit der
Entheiligung und Verletzung des Glaubens, sowie der Taufe, rügt, und wie er seine
geliebte Braut auffordert, ihn zu lieben.
Ich bin der Schöpfer des Himmels und der Erde, eins in der Gottheit mit dem Vater
und dem heiligen Geiste. Ich bin der, welcher mit den Propheten und Patriarchen
geredet, und auf den sie gewartet haben. Um ihres Verlangens und meines
Versprechens willen habe ich das Fleisch jedoch ohne Sünde und Begierlichkeit
angenommen. Eingegangen bin ich in den jungfräulichen Leib, wie die Sonne
hindurchleuchtet durch das härteste Glas. Wie die Sonne beim Hindurchdringen das
Glas nicht zerbricht, so ist auch der Jungfrau Jungfräulichkeit bei Aufnahme meiner
Menschheit nicht versehrt worden. Ich habe aber das Fleisch dergestalt angenommen,
dass ich die Gottheit nicht aufgab. Ich war auch nicht minder in der Gottheit mit
dem Vater und dem heiligen Geiste; ich beherrschte und erfüllte alles, obwohl ich
im Leibe der Jungfrau bei der Menschheit war. Wie der Glanz sich nimmer scheiden
lässt von dem Feuer, so ist auch meine Gottheit niemals von meiner Menschheit,
auch im Tode nicht, geschieden worden. Sodann habe ich gewollt, dass der von der
Sünde ganz und gar unversehrte Leib für die Sünden aller, von der Sohle bis zum
Scheitel, zerfleischt und ans Kreuz geschlagen würde. Derselbe wird auch noch
täglich auf dem Altare geopfert, auf dass der Mensch mich um so stärker lieben und
sich desto öfter meiner Wohltaten erinnern möge. Nun bin ich aber gänzlich
vergessen, vernachlässigt und verachtet, auch aus dem Reiche, wo ich König bin,
vertrieben, und an meiner Statt wird der ärgste Bösewicht und Räuber erwählt und
geehrt. Ich habe gewollt, dass mein Reich unter den Menschen sei, denn ich, sollte
über dieselben von Rechts wegen König und Herr sein, weil ich sie erschaffen und
erlöset habe. Nun aber haben sie den Glauben verleugnet und entheiligt, den sie mir
in der Taufe versprochen hatten; auch haben sie die Gesetze übertreten und
verachtet, welche ich ihnen gegeben hatte. Sie lieben ihren eigenen Willen und
verschmähen, mich zu hören. Sie erhöhen den allerärgsten Räuber, den Teufel, über
mich und haben sich demselben mit ihrem Glauben ergeben. Derselbe ist in der
Wahrheit ein Räuber, weil er des Menschen Seele, welche ich mit meinem Blute
erkauft habe, durch böse Eingebungen und falsche Verheißungen an sich reißt.
Nicht darum aber reißt er sie an sich, weil er etwa mächtiger wäre, als ich (denn ich
bin so mächtig, daß ich alles mit dem Worte vermag, auch so gerecht, dass ich das
geringste nicht wider die Gerechtigkeit tun könnte, auch wenn alle Heiligen mich
darum bitten würden); sondern weil der Mensch, mit einem freien Willen
ausgestattet, freiwillig meine Gebote verachtet und dem Teufel Beifall gibt. Deshalb
ist es recht, dass der Mensch unter seiner grausamen Herrschaft leide. Zwar ist auch
der Teufel selbst von mir gut erschaffen, aber durch seinen bösen Willen fiel er und
ist nun gleichsam mein Knecht zur Bestrafung der Bösen. Aber obschon ich jetzt so
verachtet werde, bin ich gleichwohl so barmherzig, dass ich allen, welche meine
Barmherzigkeit angerufen und sich erniedrigt haben, das, was sie begangen haben,
nachsehe und sie vom ungerechten Räuber befreien werde. Diejenigen aber, welche
in der Verachtung meiner verharren werden, will ich mit meiner Gerechtigkeit
heimsuchen, so dass, die es vernehmen, zittern, und die es erfahren, sagen sollen:
Weh uns, dass wir den Herrn der Majestät jemals zum Zorne gereizt haben! Du aber,
meine Tochter, die ich mir erwählet und mit welcher ich in meinem Geiste rede,
sollst mich von ganzem Herzen lieben, nicht wie einen Sohn und eine Tochter oder
wie Eltern, sondern mehr als irgend etwas in der Welt; denn ich habe keines meiner
Glieder geschont, damit ich für Dich die Strafe übernahm. Auch jetzt noch liebe ich
Deine Seele so herzlich, dass ich, ehe ich von ihr lassen, sollte, wenn es möglich
wäre, mich noch einmal für sie ans Kreuz heften lassen würde. Folge meiner Demut
nach; denn ich, der König der Herrlichkeit und der Engel, habe mich in schlechte
Lappen gekleidet, habe nackt an der Geißelsäule gestanden und schmachvolles
Hohngelächter mit meinen Ohren vernommen. Setze auch meinen Willen über den
Deinigen, denn auch meine Mutter, Deine Gebieterin, hat vom Anfang bis zum
Ende niemals etwas anderes gewollt, als ich. Wirst Du dieses tun, so wird Dein
Herz sein in meinem Herzen und entzündet werden von meiner Liebe, gleichwie
das Dürre leicht entzündet wird am Feuer. Also wird Deine Seele erfüllt werden von
mir und ich werde in Dir sein, so dass alles Zeitliche Dir bitter, jede Fleischeslust wie
Gift sein wird. Du wirst im Arme meiner Gottheit ruhen, wo keine Lust des Fleisches,
sondern Freude und Ergötzen des Geistes ist. Die also erquickte Seele ist innen und
außen voll Freude, und denkt und begehrt nichts, als die Liebe, welche sie hat. Liebe
mich also allein und Du wirst alles haben, was Du willst, und in überflüssiger Fülle.
Steht nicht geschrieben, das Öl der Witwe habe nicht abgenommen, bis der Herr
den Regen auf die Erde gegeben, nach dem Worte des Propheten? Ich bin der
wahre Prophet; wirst Du meinen Worten glauben und dieselben vollziehen, dann
werden Dir Öl, Freude und Frohlocken in Ewigkeit nicht fehlen.
Das Leben der Heiligen Katharina von Siena von Niccolò Borghesi aus dem Jahr 1500 (Dok. 2)
Transkription
DIVAE
CATHARINAE SE-
NENSIS VITA PER NI-
COLAUM BVRGENSIUM
EQVITEM SEN(ensis) AD A(ugustinum) BARBA-
DICUM ILLUSTRISSIMUM
VENETIARUM
DUCEM
Catherine Senensis vitam | litteris mandaturus, illustris|sime Venetorum
dux, quam | susceperim provinciam non sum | nescius: quis N. possit verbis
con|sequi laudes immensas ac virgi|nis sanctitatem, non tamen | defuit qui
Katharine virtutes | exemplares atque gesta memorie | tradiderit: is fuit
Raimundus | clarissimus aetate sua theologus, | qui pleraque eorum quae
scripta | reliquit vel vidit vel in confes|sionibus audivit ab ipsa sed | tanta
sunt Katharinae merita | ut ea vel magno volumine aequare | non potuerit
veluti idem ipse | testatus est. At nos unde licuit | excerpsimus ea tantum
quae digni|ora notatu visa sunt: eadem | quoque per capita digessimus. Hunc
| autem qualiscumque sit libellum | tuae celsitudinis dedicandum putavi. ||
[f. 1dv] Quam constans fama est singu|lari sapientia in victoque animo | cum
exemplo vitae pollere Senensique | Katherinae, que heres aeterni regni |
triumphat inter beatos precipue | devotam esse una cum universa | ista inclita
Res Publica, quae quantum | spei habeat in Katharine meritis | et precibus
perspicua documenta | sunt. Tu igitur (si videbitur) nostras | has
lucubratiunculas non satis | forte castigatas per requiem lectitare | non
dedignaberis: quas sanctum | animi tui propositum spero mul|tum esse
confirmaturas. Si qui|dem recte pensitans mandata | vitalia quibus Christus
sponsus | virginem expolivit cognosces | profecto quae vera sint vitae
pre|sidia atque virtutem solam pre|stare beatitudinem ad quam mor|tales nos
omnes procrati simus. | Postremo me cum tota domo | Burgensia sublimitati
tuae plurimum || [f. 3r] commendo totique isti gloriosissimae R(ei) P(ublicae),
cuius ego semper observan|tissimus ac deditissimus extiti.
Bene vale, senis pridie idus | iulias MD.
De Katharine parentibus
Catherina Senensis parentes | habuit ex ordine populari | Iacobum et
Lapam: utrumque pro|bato vitae genere. At pater aliquanto tole|rantior (uti
virum decet) habitus est. | Qui nec obloquentium convitiis concitaretur | nec
parum sibi constaret in rebus adversis. | His igitur genitoribus, anno ab
incarnato | Verbo millesimo trecentesimo quadragesimo | septimo, Katharina
nata est.
De primori pueritia Katharine | et miraculo
Sex adhuc annos nata, tanta veneratione | Mariam virginem colebat, ut
saepe sive | superiora domus ascenderet seu ad ima | descenderet angelicum
nuncium gradatim r| ecenseret.
De visione Christi insigniti veste | pontificali
Hecsemel inter redeundum ex sororis | aedibus repente vestigia fixit in via
| oculosque in celum tollens Christum suspexit | insignitum veste pontificali
et sedentem in | throno comitantibus apostolis. Idque supra | Basilicam que
divo Dominico(a) in Urbe dedicata | est. Christus autem arridens (sicut ipsa |
post non negavit) respexisse puellulam | visus est crucisque vivifice signo
benedixisse. | Quo quidem ex tempore caepit altius contemplari preter |
aetatem divitias celestis regni ad(b) quod iam iam | anhelans vitam sanctorum
patrum qui cacumina | montium habitaverant frequenter animo | revolvebat.
Statuens quoad posset eos | imitari.
De abstinentia cibi
Abstinebat cibo longe magis quam aetas pateretur | plurimam temporis
partem vacans oratiunculis.|
(a) -ni- zwischen den Zeilen hinzugefügt.
(b) Zwischen den Zeilen hinzugefügt.
Übersetzung
Das Leben der Heiligen Katharina von Siena, vom Cavaliere Niccolò Borghesi
dem erlauchten Dogen von Venedig Agostino Barbarigo gewidmet.
Während ich mit dem Bericht über das Leben der Katharina von Siena
beginne, erlauchter Doge der Venezianer, ist mir wohl bewusst, welche Aufgabe
ich damit übernommen habe: Wer ist schon in der Lage, die hervorragenden
Verdienste und die Heiligkeit dieser Jungfrau in Worte zu fassen? Dennoch gibt
es einen, der uns die beispielhaften Tugenden und Taten Katharinas in
Erinnerung gerufen hat: Raimund, zu seiner Zeit ein hochberühmter Theologe,
welcher den Großteil dessen was er aufschrieb, selbst gesehen oder von ihr
während der Beichte gehört hat. Doch sind die Verdienste Katharinas derart
groß, dass er, wie er selbst bestätigt, nicht in der Lage war, sie alle aufzuzählen,
auch nicht in einem dicken Band. So haben wir also aus den uns zur Verfügung
stehenden Quellen nur diejenigen Dinge, welche uns am bemerkenswertesten
erscheinen, ausgewählt und auch diese nur in zusammengefasster Form er -
zählt. Doch wie auch immer das Büchlein gelungen sein mag, erschien es
mir zwingend, es Deiner Hoheit zu widmen.
Aufgrund ihrer außergewöhnlichen Weisheit und ihrer unbeugsamen Seele,
vereint mit einem beispielhaften Leben, hat Katharina von Siena, eine der Ersten
unter den Heiligen die da erben das Himmelreich, den einhelligen Ruf,
besonders gottesfürchtig zu sein, so wie auch diese erlauchte Republik, welche
eindeutige Zeugnisse ablegt, welch große Hoffnung sie in die Tugenden und
Gebete Katharinas setzt. Du mögest (wenn es Dir gefällt), in einem Moment der
Ruhe diesen unseren bescheidenen, vielleicht nicht ausreichenden Bemühungen
einen Blick nicht verweigern, wodurch sich Deine guten Vorsätze noch
verstärken mögen. Wenn Du also die Gebote des Lebens erwägst, welche
Christus der Jungfrau gelehrt hat, wirst Du mit Sicherheit erfahren, welches den
wahren Halt in unserem Leben darstellt und dass nur die Tugend uns die
himmlische Seligkeit versichert, angesichts derer wir Sterblichen geschaffen
wurden. Abschließend möchte ich mich selbst und die ganze Familie Deiner
Hoheit und dieser ruhmvollen Republik empfehlen, der ich immerdar den
höchsten Respekt und die größte Hochachtung entgegengebracht habe.
Ich wünsche Dir alles Gute.
Siena, 14. Juli 1500
Katharinas Eltern.
Die Eltern der Katharina von Siena, Iacopo und Lapa, waren einfache
Leute aus dem Volk, die ein untadeliges Leben führten. Der Vater war von
eher beständigem Wesen, wie es einem Manne ansteht. Er ließ sich weder von
Streitworten provozieren noch zeigte er sich schwach in widrigen Umständen.
In diese Familie wurde also Katharina im Jahre des Heils 1347 geboren.
Katharinas frühe Kindheit und das Wunder.
Mit nur sechs Jahren brachte sie der Heiligen Jungfrau eine solch glühende
Verehrung entgegen, dass sie wenn sie in die oberen Stockwerke des Hauses
stieg oder in die unteren hinabging, häufig bei jedem Schritt eine Botschaft der
Engel empfing.
Die Vision des in päpstliche Gewänder gehüllten Christus.
Eines Tages, auf dem Rückweg vom Hause einer ihrer Schwestern, hielt
Katharina plötzlich inne und hob die Augen gen Himmel, wo sie über der dem
Heiligen Dominikus gewidmeten Basilika Christus, in päpstliche Gewänder
gehüllt und auf einem Thron sitzend, in Gesellschaft der Apostel erblickte. Des
weiteren scheint es, dass Christus das junge Mädchen mit einem Lächeln
bedacht und sie mit dem Kreuzzeichen gesegnet habe. Von diesem Moment
an begann sie mit einer für ihr Alter ungewöhnlichen Ernsthaftigkeit den
Reichtum des Himmelreiches zu betrachten, welches sie schon damals glühend
begehrte und häufig sann sie über das Leben der heiligen Väter nach, welche
auf den Gipfeln der Berge gelebt hatten, um zu erfahren, wie sie diese
nachahmen könne.
Das Fasten.
Katharina fastete sehr viel häufiger, als es für ihr jugendliches Alter
zukömmlich war, und widmete einen Großteil ihrer Zeit dem Gebet.
Traktat Giovanni Mattiottis über das Leben und die Visionen der hl. Franziska von Rom aus dem Jahr 1469 (Dok. 3)
Transkription
Übersetzung
Es beginnt das Buch über das Leben und die Visionen der Heiligen
Franziska, auch de’Ponziani genannt.
Im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit, des Vaters, des Sohnes und des
Heiligen Geistes. Im Namen unserer glorreichen, himmlischen Königin und
des glorreichen Johannes des Täufers. Im Namen der Apostel Peter und
Paul und unseres Vaters des Heiligen Benedikts, der strahlenden, glorreichen
Heiligen Maria Magdalena und der gesamten Himmlischen Versammlung,
Amen.
Zu Ehren unseres glorreichen Herrn und ewigen Gottes und zur
Erbauung und Anleitung unserer Seelen werde ich, Priester Giovanni,
unwürdiger geistlicher Vater der Heiligen Franziska, ergebene Dienerin
unseres Herrgotts, einige Dinge verkünden, welche ich über ihr Leben und
die Gnade, die Gott ihr zuteil werden ließ, erfahren durfte. Die Heilige
Franziska war eine Tochter des adligen römischen Bürgers Paolo Bussa und
der römischen Edelfrau Jacovella dei Rofredeschi. Schon von Kindesbeinen
an war Franziska von einer außergewöhnlichen Sittsamkeit und Scheu, so
sehr, dass sie nicht nur vermied, mit Männern zu sprechen, sondern sich
ihnen auch nicht zeigte und es nicht duldete, dass ihr Vater sie berührte. Als
sie mit zwölf Jahren mit Lorenzo de’Ponziani, einem adligen Römer,
verheiratet wurde, wurde sie von einer sehr schweren und langwierigen
Krankheit befallen. Als daraufhin ihre Familienangehörigen auf sie
eindrangen, sich mittels magischen Praktiken heilen zu lassen, verweigerte
sie standhaft eine derartige Beleidigung Gottes. Nachdem sie von besagtem
Leiden geheilt war, erkrankte sie nach einer gewissen Zeit erneut und litt
ein Jahr lang an diesem Gebrechen, wobei sie so geschwächt war, dass sie
nicht alleine für sich sorgen konnte. Die Frau, die für sie sorgte, bat die
Heilige, sich von einer Hexe behandeln zu lassen. Doch Franziska, von
Abscheu erfüllt und ihrem Glauben treu, jagte die Frau aus dem Haus. In
der folgenden Nacht erschien ihr der glorreiche Heilige Alexius als schöner
junger Mann – es war sein Gedenktag – und fragte sie zweimal: „Willst du
geheilt werden?“ Die Heilige, welche antwortete, dass Gottes Willen ge-
schehen solle, wurde sofort geheilt. Als sie sich am folgenden Morgen erhob,
rief sie ihre Schwägerin und vertraute Freundin Vanozza, welche sehr ver-
wundert war und ausrief: „Ceccolella, bist du das?“, da sie Franziska wäh-
rend ihrer Krankheit Beistand geleistet hatte. Dann feierten sie zusammen
mit der Familie und besuchten die Kirche des Heiligen Alexius, wo sich alle
sehr wunderten, Franziska geheilt zu sehen, da sie von ihrer schweren
Krankheit erfahren hatten.
Transkriptionen und Anmerkungen: Marco Maiorino
Übersetzungen: Cornelia Volk