TATORT: Holloway, London

1. Übersetzungen

Brief von Dr. Hawley Harvey Crippen an einen Patienten vom April 1910  (Dokument 1)

Sehr geehrter Herr,

vor ein paar Tagen hatte ich das Vergnügen, Ihnen eine Kopie der "Otological Gazette" zuschicken zu können, nebst einem analytischen Fragebogen, den ich Sie bat, auszufüllen und mir zurückzuschicken, damit ich Ihnen meine kostenfreie Beurteilung zu Ihrem Fall zukommen lassen kann.

Bis zum heutigen Tage habe ich jedoch keine Antwort von Ihnen erhalten. Dürfte ich Sie daher erneut auf diese beispiellose Gelegenheit aufmerksam machen, die es Ihnen ermöglicht, eine genaue Diagnose sowie Ihre Heilungschancen in Erfahrung zu bringen.

Sollten Sie an Taubheit oder Geräuschen in Ihrem Kopf leiden, so können Ihre Beschwerden nicht zum Stillstand gekommen sein. Entweder geht es Ihnen besser oder schlechter. Die eine oder andere Möglickeit muss eingetreten sein. Und es steht mit absoluter Gewissheit fest, dass Ihr Zustand sich nicht verbessern kann, ohne dass man sich ihm in der einen oder anderen Form annimmt.

Nachdem ich Ihnen geschrieben habe, erhielt ich einen exzellenten Bericht von Mrs. G. Simmons, wohnhaft in Kent Street 43, Grangetown, Cardiff, die mir Folgendes geschrieben hat:

"Ich freue mich sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass sich mein Hörvermögen durch Ihre Medikamente erheblich verbessert hat. Das ist für mich umso wundervoller, da meine Taubheit innerhalb der letzten 25 Jahre immer mal wieder verschwand, dann wieder auftauchte."

Daher bitte ich Sie nochmals ausdrücklich, den beigefügten analytischen Fragebogen auszufüllen und mir unverzüglich zukommen zu lassen, damit ich Ihnen sogleich meine Beurteilung Ihres Falles zuschicken kann. Ihnen entstehen dabei keine Kosten und keinerlei sonstige Verpflichtungen.

Zu Ihrer Information weise ich Sie darauf hin, dass sich die Kosten für die notwendige Ausstattung (inklusive Geräte, Zubehör und Arzneimittel zur Heilung Ihres speziellen Krankheitsbildes) auf rund 15 Schilling belaufen und frei Haus an Ihre Adresse geliefert werden.

Hochachtungsvoll

H. H. Crippen

Fahndungsplakat der Metropolitan Police nach Dr. Hawley Harvey Crippen und Ethel le Neve, 1910
(Dokument 2)

METROPOLITAN POLICE

MORD

UND VERSTÜMMELUNG.

Porträts, Beschreibungen und Handschriftenproben von HAWLEY HARVEY Crippen, alias Peter Crippen, alias Franckel¸und ETHEL CLARA LE NEVE, alias Mrs. Crippen, und Neave.

Gesucht wegen Mordes an CORA CRIPPEN, auch Belle Elmore; Kunigunde Mackamotzki; Marsangar und Turner, am oder um den 2. Februar.

Beschreibung von Crippen. Alter 50, Größe 5,3 oder 5.4 Fuß, helle Hautfarbe, hellbraune Haare, ins Sandfarbene tendierend, spärlich, oben kahl, länglicher, spärlicher Bart, etwas strähnig, graue Augen, Nasenrücken eher flach, Gebiss, durchschnittliche Statur, richtet seine Füße beim Gehen nach außen. Könnte vollständig rasiert sein oder einen Bart tragen und eine Brille mit Goldrand, trägt vermutlich eine Perücke.

Trägt entweder eine Anzugsjacke oder einen Frack mit Seidenhut. Könnte auch in eine braune Anzugsjacke, einen braunen Hut und Stehkragen (Größe 15) gekleidet sein.

Etwas nachlässiges Erscheinungsbild, trägt seinen Hut eher am Hinterkopf. Redegewandt mit ruhiger Aussprache, auffällig kühles und gefasstes Auftreten.

Spricht Französisch und vermutlich auch Deutsch, führt Schusswaffen mit sich, amerikanischer Staatsbürger, von Beruf Arzt.

War wohnhaft in New York, Philadelphia, St. Louis, Detroit, Michigan, Coldwater und an anderen Orten in Amerika.

Könnte eine Assistenzstelle bei einem Arzt oder Augenspezialisten angenommen haben oder praktiziert selbst als Augenspezialist bzw. Zahnarzt, oder hat ein eigenes Unternehmen zur Behandlung von Taubstummen gegründet, für das er öffentlich wirbt.

Er war Vertreter für Manyon's Remedies in verschiedenen amerikanischen Städten.

Beschreibung von Le Neve alias Neave. – Stenografin und Schreibkraft, 27 Jahre alt, 5,5 Fuß groß, helle Hautfarbe, hellbraune Haare (vielleicht gefärbt), große graue oder blaue Augen, gute Zähne, gutaussehende lange, gerade Nase (gute Form), durchschnittliche Statur, hübsche, damenhafte Erscheinung. Ruhige, zurückhaltende Art, spricht ruhig, hört konzentriert zu. Eine gebürtige Londonerin.

Kleidet sich gut, aber unauffällig und trägt eventuell ein blaues Serge-Kostüm (hüftlange Jacke) mit einer schweren Borte besetzt, [unleserlich] Zoll breit, abgerundete Kanten, an Schultern und Taschen. Drei große geflochtene Knöpfe an der Vorderseite von der Größe einer Münze, drei schmalere auf jeder Tasche, je zwei an den Manschetten, mehrere Stickereien am Rocksaum; oder ein hellgraues Kostüm in einem ähnlichen Stil, jedoch mit getrimmter grauer Moireseide anstelle der Borten, und zwei Reihen Seide am Rocksaum; oder eine weiße Prinzessinenrobe mit goldenen Pailetten; oder ein graubraun gestreiftes Kostüm mit einem schwarzen Kragen aus Moireseide; oder ein dunkles Kostüm aus Vieuxrose, ein getrimmter schwarzer Samtkragen; oder ein helles Heliotrop-Kleid.

Besitzt oder versucht sich dessen zu entledigen: - eine runde Goldbrosche mit Punkten, die von der Mitte her in Zickzack-Linien auslaufen. Jede Linie ist etwa ein Zoll lang, Diamant in der Mitte, in den Linien eingelassene Brillianten. Die Brosche ist nur etwas größer als ein Halbkronenstück, und zwei einzelne Diamantenringe und ein Diamant- und Saphir (oder Rubin)-Ring, recht große Schmucksteine.

Am 9. überstürzt geflüchtet und hat bereits oder plant, das Land zu verlassen.

Nachforschungen sind bei Schiffsämtern, Hotels und anderen möglichen Aufenthaltsorten zu veranlassen und Schiffe müssen überwacht werden.

Hinweise können dem Büro der Metropolitan Police, New Scotland Yard, London S W und jeder anderen Polizeistelle übermittelt werden.

E. R. HENRY

Präsident der Metropolitan Police

Büro der Metropolitan Police,

New Scotland Yard, 16. Juli 1910.