Am 24. Januar 1002 starb Kaiser Otto III. im Alter von gerade einmal 22 Jahren kinderlos in der Burg Paterno nördlich von Rom an einem Fieber. Das ottonische Herrscherhaus, das Heinrich I. 919 begründet hatte, war damit in direkter männlicher Erbfolge erloschen. Schnell fanden sich jedoch mehrere Anwärter für das Amt. Einer der Kandidaten war der um das Jahr 973 geborene Herzog Heinrich IV. von Bayern, dessen Vater und Großvater bereits vergeblich versucht hatten, die Königswürde an sich zu bringen.
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TRANSKRIPTION (DOK. 3)
Die Kaiserbulle Heinrichs II., Fulda, 1. Mai 1020
Kaiser Heinrich II. verleiht dem von Adala begonnenen, von deren Sohn,
seinem Kapellan Aribo, vollendeten und dem Kaiser übergebenen
Benediktinerinnenkloster Göß das Recht der freien Wahl des Vogtes und
der Äbtissin, ersteres unter Vorbehalt des königlichen Einsetzungsrechtes,
sowie die Immunität.
(C) In nomine sanctae et individuae trinitatis. Heinricus divina favente
clementia Romanorum imperator augustus.
Notum sit omnibus sanctae dei aecclesiae nostrisque fidelibus presentibus*
et futuris, qualiter quidam Iuuauensis aecclesiae diaconus consanguineus
noster atque cappellanus nomine Aribo, cogitans cum transitoriis suis
aeterna, cum terrenis mercari cęlestia, quoddam monasterium puellarum ad
regulam sancti Benedicti in honorem vero sanctae dei genitricis Mariae
sanctique Andreae apostoli, quod mater Adala nomine, patre vero suo
Aribone quamvis a paralisi exlege tamen quantum potuit annuente et
consentiente, incepit, in loco nomine Gossia in comitatu Liubana de predio*
suo fundavit atque construxit et pro sua facultate deo aspirante perfectum
sanctae Mariae sanctique Andreae ministerio et nomini dedicatum cum
omnibus de sua tradicione et aliorum Christi fidelium éo pertinentibus in
nostram potestatem libertandi gratia tradidit et suae heredumque suorum
proprietati ac potestati deinceps in futurum éo tenore abalienavit, quatenus
post acceptam nostrae inmunitatis cartam prima eiusdem loci abbatissa
Cvnigvndis soror prefati Aribonis eique eodem ordine successurae ius
legitimum eligendi advocatos, quos sibi necessitas et utilitas dictaverit,
eidem monasterio sine omnium contradictione mortalium, salva regia et
imperatoria potestate, obtineant; post obitum vero suum* congregatio*
monasterii per successiones temporum liberam habeat electionem
abbatissas regulares iuxta decretum sancti Benedicti,* omnium
contradictione remota, substituendi – hoc addito: si quod absit, aliqua
principalis potestas iniuste idem monasterium vel res suas alicui alteri
monasterio vel personae alicui subdere vel in beneficium dare aut in
proprietatem donare vel qualicumque ingenio huic proposito abalienare
voluerit, proximus predicti Aribonis heres tam diu in sua potestate retineat,
quousque nostro vel successorum nostrorum adiutorio ad statum
monasterii, unde contra ius et fas ablatae fuerant, iterum reducat et in
pristinam libertatem stabilitatemque restituat. Iustis igitur predicti Aribonis
peticionibus annuentes eo quo rogaverat tenore prefatum monasterium cum
monachabus* ibidem in presens collatis vel in posterum conferendis in
nostram immunitatem recepimus et hoc regia et imperatoria precepti nostri
libertate donatum et perpetuo confirmatum nostrae manus subscriptione
roboravimus et in aeternae memoriae testimonium sigilli nostri inpressione
insigniri precepimus.
Signum domni Heinrici Romanorum (M.) invictissi imperatoris augusti.
Guntherius cancellarius vice Erkanbaldi archicappellani recognovit.
Data kal. mai. indictione III, anno dominicae incarnationis millesimo XX
anno domni Heinrici secundi regnantis XVIIII, imperii vero VII; actum
Wldae, venerabili papa Benedicto presente et confirmante.
(Transkription: Appelt, Heinrich: Das Diplom Kaiser Heinrichs II. für Göß
vom 1. Mai 1020. Eine diplomatisch-verfassungsgeschichtliche
Untersuchung, Graz/Köln, 1953, S. 30f.)
ÜBERSETZUNG
Fulda, 1. Mai 1020
Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit.
Heinrich durch das Walten der Gnade Gottes römischer Kaiser. Wir tun
kund zu wissen den gegenwärtigen und zukünftigen Christen, daß ein
gewisser mit uns verwandter Diakon der Salzburger Kirche und Kaplan mit
Namen Aribo, eingedenk seines eigenen Todes und seiner irdischen
Vergänglichkeit, das der Regel des heiligen Benedikt folgende Frauen-
kloster zur Ehre der Muttergottes und des heiligen Andreas, dessen
Gründung seine Mutter Adala mit Zustimmung seines gelähmten Vaters
Aribo begonnen hatte, im Ort Göß in der Grafschaft Leoben, aus seinem
Besitz ausgestattet und errichtet hat. Mit allem was zu seiner Stiftung gehört,
hat er diese in unsere Gewalt übergeben und seiner und seiner Erben
Verfügung und Gewalt entzogen. Nach der Annahme unsere Immunitäts-
verleihung sollen Kunigunde, die erste Äbtissin dieses Klosters und
Schwester des vorgenannten Aribo und ihre Nachfolgerinnen das Recht
innehaben, sich den Vogt frei zu wählen, wenn es die Notwendigkeit
verlangt, allerdings unter Vorbehalt der königlichen und kaiserlichen Macht.
Nach dem Tod der vorgenannten Äbtissin soll das Kloster das Recht haben,
sich die Äbtissin nach der Regel des heiligen Benedikt selbst zu wählen.
Dies füge ich hinzu: wenn, was nicht geschehen möge, irgendeine
fürstliche Macht ungerechtfertigter Weise dieses Kloster oder sein Eigentum
irgendeinem anderen Kloster oder irgendeiner anderen Person unterstellen
oder als Geschenk oder zum Besitz geben oder mit irgendeinem anderen
drohenden Einfall dieses weggeben wolle, soll es der nächste Erbe des
vorgenannten Aribo so lange in seine Verfügungsgewalt zurückerhalten, bis
wir oder unsere Nachfolger helfend zum Bestand des Klosters eingreifen
und es in frühere Freiheit und Festigkeit zurückgeführt und wieder-
eingesetzt ist. Also heißen wir die Bitten des vorgenannten Aribo gut und
nehmen, wie er gebeten hatte, das vorgenannte Kloster und seine
Angehörigen mit dieser Verleihung oder zukünftigen Zusammenfassungen
in unsere Immunität und um dieser Urkunde königliche und kaiserliche
Freiheit zu verleihen und auf ewig zu bekräftigen, haben wir sie mit unserer
Unterschrift bestätigt und zum Zeugnis ewigen Gedächtnisses befohlen,
unser Siegel aufzudrücken.
Handzeichen des Herrn Heinrich, des unüberwindlichsten römischen
Kaiser.
Kanzler Gunther hat in Vertretung des Archikappellans Erkambald
beglaubigt.
Gegeben am 1. Mai, im Jahre der Geburt des Herrn 1020, im 19. Jahr der
Herrschaft des Herrn Heinrich II.
Geschehen zu Fulda in Gegenwart des ehrwürdigen Papstes Benedikt und
von ihm bestätigt.
(Übersetzung: Dr. Laura Scherr)