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Bei dem im deutschen Sprachgebrauch sogenannten „Hererokrieg“ handelt es sich um die erste Phase des Kolonialkrieges, der in den Jahren 1904 bis 1908 die Kolonie Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) erschütterte. Der Befreiungskampf der Herero nahm seinen Anfang, als diese sich im Januar 1904 unter ihrem Häuptling Samuel Maharero gegen die deutsche Kolonialherrschaft erhoben und deutsche Farmen, Militärstationen und die Eisenbahnlinie Windhuk–Swakopmund angriffen. Als Kriegsursachen gelten die Verschärfung der sozialen Spannungen mit den in immer größerer Zahl einwandernden weißen Siedlern, die Vergewaltigungen von Herero-Frauen, eine nach Hautfarbe entscheidende Kolonialgerichtsbarkeit, das Kreditunwesen, Landverluste und die Einrichtung erster Reservate, in die die Afrikaner abgeschoben werden sollten.

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1. Transkription zu Dokument 1

Brief von Samuel Maharero an Gouverneur Theodor Leutwein vom 06. März 1904

 

„Otjozondjati, 6.3.1904

An den großen Gesandten des Kaisers

Gouverneur Leutwein


Deinen Brief habe ich erhalten und ich habe gut verstanden alles, was Du mir und meinen Großleuten geschrieben hast. Ich und meine Großleute antworten folgendermaßen: Der Anfang des Krieges ist nicht jetzt in diesem Jahr durch mich begonnen worden, sondern er ist begonnen worden von Weißen; wie Du (selbst ja) weißt, wie viele Herero durch die weißen Leute, besonders Händler mit Gewehren und in Gefängnissen getötet sind. Und immer, wenn ich diese Sache nach Windhoek brachte, immer kostete das Blut meiner Leute weniger (Stück) Kleinvieh, nämlich 50 oder (auch nur) 15. (Der letzte Satz ist doppelsinnig. Er kann heißen: 50 oder 15 Stück Kleinvieh, die den Weißen von Seinen geraubt wurden, mussten mit dem Tod der Räuber gesühnt werden, oder: für einen von Weißen getöteten Herero wurden nur 50 oder 15 Stück Kleinvieh gegeben als Sühne.) Die Händler vermehrten die Not noch in der Weise, dass sie von sich selbst meinen Leuten Sachen auf Borg gaben (aufnötigten); nachdem sie so gethan, raubten sie sie aus (machten sich selbst bezahlt) bis sie soweit gingen, sich bezahlen zu lassen, indem sie für 1 Pfund Sterling (Schuld) 2 oder 3 Rinder gewaltsam wegnahmen. Diese Dinge sind es, die den Krieg in diesem Land erweckt haben.

Und jetzt in diesem Jahr, als die Weißen sahen, dass Du, der Du Frieden mit uns und Liebe zu uns hast (nicht da warst), da begannen sie uns zu sagen, euer Gouverneur, der euch lieb hat, ist in einen schweren Krieg gegangen, ist tot, und weil er tot ist, so werdet ihr sterben. Sie gingen so weit, dass sie zwei Herero des (Häuptlings) Tjetjo töteten, (ja) bis Leutnant Zürn anfing, meine Leute im Gefängnis zu töten. Es starben (wurden getötet) 10 und es hieß, sie seien an Krankheit gestorben, aber sie starben (wurden getötet) durch die Arbeitsaufseher und die Knüttel.

Zuletzt fing Leutnant Zürn an, mich schlecht zu behandeln und eine Ursache zu suchen, wegen derer er mich töten könne, indem er sagte, die Leute von Kambazembi und Ouandja machen Krieg (und) da er mich rief, mich zu befragen. Ich antwortete wahrheitsgemäß, nämlich: Nein (es ist nicht wahr), aber er glaubte es nicht.

Zuletzt setzte und verbarg er in der Schanze (Feste, Soldaten) in Kisten, und er rief mich, damit, wenn ich käme, er mich erschieße. Ich ging (aber) nicht. Ich merkte (den Auftrag) und deshalb entfloh ich. Darauf schickte Leutnant Zürn Leute mit Gewehren, mich zu erschießen. Darüber wurde ich zornig und sagte: jetzt bin ich genötigt, die Weißen zu töten, (sei es, dass) ich sterbe. Denn dass ich sterben sollte, habe ich gehört von einem Weißen mit Namen von Michaelis.

So hat der Krieg angefangen. Er ist begonnen worden von Händlern und Leutnant Zürn. Und da ich ihn nicht angefangen habe, kenn ich ihn nicht (Die Meinung ist wohl: Ich weiß nichts anderes dazu zu sagen). Frage Du die Händler und Leutnant Zürn, sie kennen ihn (können Dir näheres sagen). Und wenn sie es Dir gesagt haben, dann frage mich. Also ist der Krieg der des Zürn.


Das sind meine Worte

Ich bin der Häuptling Samuel Maharero.“



(Quelle: Brief von Samuel Maharero (Otjozondjati) vom 6. März 1904 an Gouverneur -Theodor Leutwein, in: Archiv der Vereinten Evangelischen Mission Wuppertal-Barmen, RMG 2.615 [Einfügungen von einem Mitarbeiter der Rheinischen Missionsgesellschaft, der damals die Abschrift des Briefes angefertigt hat])


2. Transkription zu Dokument 3

(Auszug: S. 6 unten - S. 8 oben)

Missionar Heinrich Vedder berichtet 1905 über die Zustände im Lager von Swakopmund

 

„Als Missionar Vedder 1905 nach S’mund kam, waren dort [im Lager von Swakopmund] nur sehr wenige Herero anwesend (Aufstand!). Bald kamen aber große Transporte von Kriegsgefangenen an. Dieselben wurden hinter einem doppelten Stacheldrahtzaun, der das umfassende Gelände der Hafenamtswerft einschloß, in jämmerlichen, nur einfachen Sackleinen und Latten hergestellten Räumen untergebracht, und zwar so, dass in einem einzigen Raum 30 – 50 Personen ohne Unterschied des Alters und Geschlechts zu bleiben gezwungen waren. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend mussten sie am Werktag sowohl als an Sonn- und Feiertagen unter den Knütteln roher Aufseher arbeiten, bis sie zusammenbrachen. Dabei war die Ernährung mehr als dürftig: Reis ohne jegliche Zutaten war nicht genügend, den durch das Feldleben geschwächten und an die heiße Sonne des Innern gewöhnten Körper die Kälte und ruhelose Anspannung aller Kräfte in der Swakopmunder Gefangenschaft ertragen zu lassen. Wie Vieh wurden hunderte zu Tode getrieben und wie Vieh begraben. Dieses Urteil mag hart erscheinen oder übertrieben, vieles ist auch im Verlauf der Gefangenschaft geändert und gemildert worden, auch muss manche Härte in der Lage der Dinge und in der Unkenntnis der Aufseher, die in jedem Herero ohne Unterschied einen Mörder und Kannibalen sehen, ihre mildernde Erklärung finden, auch soll dankbar zugegeben werden, dass die Behörde fast immer den Vorstellungen und Bitten der Mission entgegen kam, aber die Chronik darf es nicht verschweigen, dass eine solche rücksichtslose Roheit, geile Sinnlichkeit, brutales Herrentum sich hier unter Truppe und Zivil breit machte, daß ein Übertreiben in der Beschreibung kaum möglich ist. Als Quittung folge hier ein kleiner Auszug aus den Polizeiberichten über die Sterblichkeitsziffer unter den Eingeborenen in Swakopmund vom 29.1. – 12.6.1905: (...) [Die Liste weist insgesamt 583 gestorbene Herero – Männer, Frauen und Kinder – auf].“



(Quelle: Archives of the Evangelical-Lutheran Church in the Republic of Namibia [AELCRN], Windhoek, C.V.31, Gemeinde-Chronik Swakopmund, S. 6ff.)