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Der Sachsenspiegel 1224

Der Sachsenspiegel ist eines der ältesten Rechtsbücher in deutscher Sprache und zweifellos dasjenige, von dem die größte Wirkung ausgegangen ist. Sein Verfasser, der Edelfreie (später wahrscheinlich Ministeriale) Eike von Repgow, zeichnete es wohl zwischen 1224 und 1233 auf Drängen des Grafen Hoyer von Falkenstein, des Stiftsvogts von Quedlinburg, in deutscher Sprache, das heißt im Elbostfälischen seiner engeren Heimat, auf. Der deutschen Fassung ging eine lateinische Urfassung voraus, die jedoch nicht erhalten ist.

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Wolfenbütteler Bilderhandschrift des Sachsenspiegels;fol. 9v, 10r/v, 11r/v

Übersetzung Dokument 1a

Die Güte des Heiligen Geistes stärke meinen Verstand, damit ich über Recht und Unrecht der Sachsen mitteile, was der Gnade Gottes entspricht und der Welt zum Nutzen gereicht. Dies vermag ich indessen allein nicht zu vollbringen. Deshalb bitte ich alle rechtschaffenen Leute, die nach dem Recht streben, um ihre Unterstützung: Wenn ihnen irgend etwas begegnet, was mein schwacher Verstand übersehen hat, sodass dies Buch darüber nichts enthält, dass sie dies gemäß ihrer Erfahrung zu Recht entscheiden, wie sie es selbst am besten wissen. Vom Recht soll sich niemand abbringen lassen, weder durch Liebe noch Leid, Zorn noch Gabe. Gott ist selber recht, deshalb ist ihm Recht so lieb. Deshalb sol­len sich alle diejenigen, denen von Gott das Gericht anbefohlen ist, bemühen, dass sie so richten, dass (auch über sie) Gottes Zorn und sein Gericht gnädig ergehen kann.

Gott, der Beginn und Ende aller guten Dinge ist, der schuf zuerst Himmel und Erde und den Menschen im Erdreich und versetzte ihn in das Paradies. Er aber brach den Gehorsam, uns allen zum Verderben. Deshalb sind wir in die Irre gegangen wie die Schafe ohne Hirt, bis zu der Zeit, dass er uns erlöste durch sein Martyrium. Jetzt aber, wo wir bekehrt sind und Gott uns wieder eingela­den hat, nun halten wir sein Gesetz und sein Gebot, das uns die Propheten gelehrt haben und fromme geistliche Leute und das auch die christlichen Könige, Konstantin und Karl, erlassen haben, im Sachsenland zum Nutzen seines Rechtes.


Übersetzung Dokument 1b

Erstes Buch, C. I: Zwei Schwerter hat Gott dem Erdreich übergeben, die Christenheit zu beschützen: dem Papst das geistliche, dem Kaiser das weltliche. Dem Papst ist bestimmt, zu festgesetzter Zeit auf einem weißen Pferd zu reiten, und der Kaiser soll ihm den Steigbügel halten, damit ihm der Sattel nicht verrutsche. Dies (aber) ist die Bedeutung: Was dem Papst so Widerstand leistet, dass er es mit geistlichem Gericht nicht zu zwingen vermag, dass es der Kaiser mit weltlichem Gericht zwinge, dem Papst gehorsam zu sein. Ebenso soll die geistliche Gewalt dem weltlichen Gericht helfen, wenn es dessen bedarf.

C. II. Jeder Christ ist verpflichtet, das Send­-gericht dreimal im Jahr aufzusuchen, sobald er volljährig geworden ist, in dem Bistum, in dem er ansässig ist. Freiheit ist aber dreierlei: Schöffenbare Leute, die der Bischöfe Sendgericht aufsuchen sollen, Zinspflichtige das der Dompröpste, Landsassen das der Erzpriester. In gleicher Weise sollen sie die weltlichen Gerichte aufsuchen: die Schöffen des Grafen Ding über achtzehn Wochen unter Königs­bann. Setzt man aber ein Ding wegen Verbrechen nach dem echten Ding über vierzehn Nächte an, so sind sie verpflichtet, dieses aufzusuchen, damit das Ver­brechen gerichtet werde. Damit haben sie ihr Grundeigentum gegenüber dem Richter frei gemacht, dass es aller Dingpflicht von ihm ledig sei. Die Pfleghaften sind auch verpflichtet, des Schultheißen Ding (fol. 10v) alle sechs Wochen auf­-zusuchen, bedingt durch ihr Grundeigentum. Aus diesen soll man den Fronboten wählen, wenn der Fronbote stirbt. Die Landsassen, die kein Grundeigentum im Lande haben, die sollen alle sechs Wochen ihres Gaugrafen Gericht aufsuchen. Hier und in jedem Vogtding soll jeder Bauermeister das Gerüfte erheben und eines Menschen blutende Wunde rügen, die ihm ein anderer zugefügt hat, und das Schwert, das in der Absicht gezogen worden ist, einem anderen zu schaden, und diejenigen, die nicht zum Gericht erschienen sind, aber zum Kommen verpflichtet waren, und alle Verbrechen, die an Leib und Leben gehen, und was vor Gericht mit Klage noch nicht anhängig gemacht ist. Andernfalls darf er es nicht rügen.

C. III. Origenes weissagte vorzeiten, dass es sechs Weltalter geben werde, das Weltalter zu tausend Jahren angenommen, in dem siebten werde die Welt zugrunde gehen. Nun ist uns aus der Heiligen Schrift bekannt, dass mit Adam das erste Welt­ alter begann; mit Noah das zweite, mit Abraham das dritte, mit Moses das vierte, mit David das fünfte, mit Gottes Geburt das sechste. In dem siebten befinden wir uns jetzt, ohne Gewissheit über seine Dauer. Entsprechend sind die Heerschilde angeordnet, von denen der König den ersten hat, die Bischöfe und Äbte und Äbtissinnen den zweiten, die Laienfürsten den dritten, seit sie der Bischöfe Lehens­leute geworden sind, die freien Herren den vierten, die schöffenbaren Leute und Lehensleute der freien Herren den fünften, ihre Lehensleute weiterhin den sechsten. So wie die Christenheit im siebten Weltalter keine Gewissheit darüber hat, wie lange die Welt bestehen wird, so weiß man auch von dem siebten Schild nicht, ob er Lehenrecht oder Heerschildrecht haben.


Übersetzung Dokument 1c

kann. Die Laienfürsten haben aber den sechsten Schild in den siebten gebracht, weil sie der Bischöfe Lehensleute geworden sind, was es zuvor nicht gab. So wie die Heerschildordnung mit dem siebten Heerschild endet, so hört die Verwandtschaft mit dem siebten Glied auf. Nun seht, wie oder wo die Verwandtschaft beginnt und endet. Am Kopf stehen Mann und Frau, die ehelich und rechtmäßig miteinander verbunden sind. Am Glied des Halses ihre Kinder, die ohne Zweiung gemeinsam von Vater und Mutter abstammen. Besteht aber Halbbürtigkeit, so können sie nicht (wie die Vollgeschwister) an einem Glied stehen und rücken in das zweite Glied. Nehmen zwei Brüder zwei Schwestern und der dritte Bruder eine fremde Frau, so sind ihre Kinder doch gleich nahe, dass ein jeder des anderen Erbe nehme, wenn sie ebenbürtig sind. Kinder von Brüdern, die Vollgeschwister sind, stehen an dem Glied, wo Schulter und Arm zusammenkommen. Gleiches gilt für die Kinder von Schwestern. Dies ist der erste Verwandtschaftsgrad, den man zu den Vettern rechnet: Bruderkind und Schwesterkind. Am Ellenbogen steht der zweite, am Hand gelenk der dritte, an dem ersten Glied des Mittelfinders der vierte, an dem zweiten Glied der fünfte, an dem dritten Glied der sechste. An dem siebten steht ein Nagel und nicht ein Glied. Darum endet die Verwandtschaft mit dem Nagelmagen. Diejenigen, die sich zwischen dem Nagel und dem Kopf an gleicher Stelle zur Verwandtschaft rechnen können, die nehmen das Erbe zu gleichen Teilen. Derjenige, der sich näher zu der (fol. 11v) Verwandtschaft ziehen kann, der nimmt das Erbe zuvor. Die Verwandtschaft, die Erbe nehmen kann, endet mit dem siebten (Glied), obwohl der Papst erlaubt hat, eine Frau aus dem fünften zu nehmen. Denn der Papst kann kein Recht setzen, mit dem er unser Landrecht oder Lehnrecht schmälert. An Schwachsinnige oder an Zwerge fällt durch Tod weder Lehen noch Erbe. Auch nicht an ein verkrüppeltes Kind. Wer dann die Erben und ihre nächsten Blutsverwandten sind, die sollen sie in ihre Obhut nehmen.

C. IV. Wird ein Kind stumm oder ohne Hände und Füße oder blind geboren, das ist wohl zu Landrecht Erbe und nicht zu Lehenrecht. Hat es aber Lehen empfangen, ehe es so (zum Behinderten) wurde, so verliert es dieses nicht. Ein aussätziger Mann erhält weder Lehen noch Erbe. Hat er aber vor seiner Erkrankung Lehen emp­fangen und wird er erst danach krank, so verliert er es damit nicht.

C. V. Nimmt der Sohn zu Lebzeiten des Vaters eine Frau, die ihm ebenbürtig ist, und hat er mit ihr Söhne und stirbt er darauf, ehe ihn sein Vater in das Erbe eingesetzt hat, so nehmen seine Söhne teil an ihres Großvaters Erbe gleich ihren Onkeln väterli­cherseits an Stelle ihres Vaters. Alle aber nehmen den Anteil eines Mannes. Dies gilt nicht für die Kinder der Tochter, dass sie gleich der Tochter ihres Großvaters oder ihrer Großmutter Erbe nehmen. Die Tochter, die unausgestattet in dem Hause lebt, teilt die Aussteuer ihrer Mutter nicht mit der Tochter, die ausgesteuert ist. Was ihr aber an Erbe zufällt, das muss sie mit ihr teilen.