»Das Gesetz fordert, die Strafe nimmt, die Gnade gibt.«
– Franziskaner und Dominikaner: Die ersten Bettelorden
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Dokument 1: Auszug aus dem von Jean de Meun verfassten zweiten Teil des Rosenromans
Transkription
Rosenroman (Jean de Meun, Roman de la Rose),
rechte Spalte Initiale
Vous ai je pour ce retenu
Pour moi dire honte et laidure
Par vostre grant male aventure
Me tenissiez vous pour bergier
Or aillez ailleur haubergier
Qui m‘apellez ci menteone
Vous resambleiz ai enchantone
Qui m‘estes ci venu blasmer
Et pour veir dire messameir
Aliez vous ores ce querant
A toz les diables me rent
Ou vous beaus deus me confondez
Sains que li chastiaus fust fermeiz
Ne passerent jour plus de dix
Com le me dit et je rendis
Et que cil la rose baisa
Ne sia se il plus sen aisa
Pour coi me fesist ou acroire
La choze celle ne fust voire
Par Dieu je dis et redue
Et croi que j‘ ai ne mentue
Et tournerai a mes busines
Et a voisins et a voisines
Coment par ci vint et par la
Adonques faus semblans parla
Ci parole faus semblans
Sire tout net pas evengile
Quanque le dit aval la vile
Or n‘aiez pas orelles sourdes
Et je vous prueve que cest borde
Vous savez bien certainement
Que vous n‘aime enterinement
Pour tant qu‘il le puisse savoir
Tant ai en lui pou de savoir
Boine qui mesdie de lui
Et si reste vous s‘onques de lui,
Tuit amant volentiers vistient
Les lieus ou lor amours habuent
Cil vous bonement al vous aime
Cil sont tres cher ami vous claime
Belle chiere et liee vous monstre
Et de vous saluer ne cesse
Si ne vous fait pas si grande presse
Li autre i vienent plus asseis
Ni estes pas trop par lui laisseis
Sachiez se ces cuers l‘enpesast
De la rose il s‘en aprochast
Et si souvent la veissiez
Votre prouve la veissiez
Qui ne se peust pas garder
Votre son le teuse vif lardent
Il ne fust une ore en ce point
Donc saichiez il ni pence point
Non fait bel aucuel vraiement
Tout en ai il mal paiement
Par Deu sendui bien le voucissent
Maugre vous la rose que sissent
Quant dou valet mesdit avez
Qui vous aime bien le savez
Sachiez cil i eust beence
Ja ne soiez en mescreance
Jamais nul jour ne vous aimast
Ne ja amis ne vous clamast
Et vousist pencer et veilier
Au chastel rompre et esallier
Cil fust veirs car il le seust
Qui que si soit dire le li eust
De soi le poist il bien savoir
Puis qu‘asseiz ni puet avoir
Si come avant l‘eust eu
Tantost l‘eust aparceu
Or le fait il tout autrement
Donc aveiz vous outreement
La mort denfer bien deservie
Quant teil gent avez aservie
Faus samblans ensi le li preuve
Si ne soit repondre a la preuve
Et veit toutes voiez esparence
Priez qu‘il ne chiesce en repentance
Et lor dist par Deu bien puet estre
Samblant je vous teing a bon maistre
Et astenance mult a saige
Bien samblez estre d‘un courage
Ci parole encor faus samblans eu ceste memire
Que me louez vous que je face
Confes sereiz en ceste place
Et si sachiez sans plus diroiz
De cestui vous confesseroiz
Car je suis l‘ordre et si sui prestres
De confesseir le plus grant maistres
Qui soit tant con li sieccles dure
J‘ ai de tout le monde la cure
Se n‘ost onques prestres cureiz
Tant fust aus esglisse jureiz
Et si ai par la haute dame
Cent tans plus pitie de votre ame
Que votre prestes barrochiaus
Jatant n‘iert vostre especiaus
S‘irai i mult grant aventaige
Prelas ne sont miez si saige
Ne si letre de tant congie
Voire par Deu pieca ialeu
Pour confesser mult esleu
Le meilleur con puis se savoir
Par mon san et par mon savoir
Se vous voleiz ja confesseir
Et ce pichier sans plus laisseir
Sans faire aus ja mencion
Vous auriez ma solucion.
Ci parole lauctour
Male bouche tantost s‘abaisse
Si sagelongne et se confesse
Car vrais rependans ja ert
Et al par la gorge la ert
A tous poins l‘estraint si l‘estrangle
Puis li at tollue la iangle
La langue a son raseur li oste.
(Transkription: Christine Maria Grafinger)
Übersetzung
Habe ich Euch deshalb dabehalten,
um mir Schimpfworte und Beleidigungen sagen zu lassen?
Zu Eurem großen Unglück
würdet Ihr mich für einen blöden Schäfer halten!
Geht nun woanders herbergen,
wenn Ihr mich hier einen Lügner nennt.
Ihr seid zwei Betrüger,
wenn Ihr hierher kommt, um mich zu tadeln
und zu beleidigen, weil ich die Wahrheit sage.
Ist es das, was Ihr sucht?
Allen Teufeln übergebe ich mich,
oder Ihr, lieber Gott, vernichtet mich doch,
wenn nicht, bevor die Burg gebaut wurde,
mehr als zehn Tage vergangen waren,
als man mir sagte und ich es wiedersagte,
dass jener die Rose küsste;
ich weiß nicht, ob er sich noch mehr mit ihr vergnügt hat.
Warum hätte man mich diese Sache glauben
lassen, wenn sie nicht wahr gewesen wäre?
Bei Gott! ich sage es und werde es wieder sagen
und glaube, dass ich dabei durchaus nicht lügen werde;
und ich werde auf meinen Trompeten den Nachbarn
und den Nachbarinnen blasen,
wie jener hierher und dorthin kam.
Da sprach der falsche Schein:
Mein Herr, nicht alles ist das Evangelium,
was man unten in der Stadt sagt;
nun habt keine tauben Ohren,
und ich beweise Euch, dass das Lügen sind.
Ihr wisst ganz sicher,
dass niemand aufrichtig einen Menschen
liebt, der ihn verleumdet,
falls er das wissen kann,
wie wenig Wissen er sonst auch hat;
und es ist ebenso wahr, wenn ich es recht gelesen habe,
dass alle Liebenden gern die Orte
aufsuchen, wo ihre Geliebten wohnen;
dieser nun ehrt Euch, er liebt Euch,
er nennt Euch seinen sehr lieben Freund,
überall, wo er Euch begegnet,
zeigt er Euch ein freundliches und fröhliches Gesicht
und hört nicht auf, Euch zu grüßen;
auch bedrängt er Euch nicht sehr,
und Ihr werdet von ihm nicht gequält;
andere kommen weit öfter hierher.
Wisst, wenn sein Herz ihn wegen der Rose
quälte, hätte er sich ihr genähert,
und Ihr hättet ihn auf frischer Tat erwischt,
denn er hätte gar nicht davon ablassen können,
sollte man ihn auch lebendigen Leibes spicken,
und er wäre jetzt nicht in diesem Zustand:
Wisst also, dass er nicht daran denkt.
Auch der schöne Empfang wahrlich nicht,
auch wenn ihm übel dafür bezahlt wird.
Bei Gott! wenn beide es wirklich wollten,
hätten sie auch gegen Euren Willen die Rose gepflückt.
Da Ihr nun den jungen Mann schlechtgemacht habt,
der Euch liebt, Ihr wisst es wohl,
so wisset, wenn er danach strebte,
seid Euch darüber niemals im Zweifel,
dann hätte er Euch niemals einen Tag lang geliebt
und Euch niemals seinen Freund genannt;
und er hätte daran denken und sich bemühen wollen,
die Burg zu bezwingen und zu zerstören,
wenn das wahr wäre, denn er hätte es erfahren,
irgendwer hätte es ihm gesagt.
Von sich selbst hätte er es wissen können:
Da er dorthin keinen Zutritt hätte haben können,
wie er ihn früher gehabt hatte,
so hätte er es schnell bemerkt.
Nun handelt er aber auf ganz andere Weise:
Also habt Ihr im Übermaße
den Höllentod wohl verdient,
da Ihr solche Leute unterjocht habt.
So beweist ihm das der falsche Schein.
Jener weiß nicht, wie er auf diesen Beweis antworten soll,
und sieht jedenfalls den Schein;
schon überlässt er sich fast der Reue
und sagt zu ihnen: „Bei Gott! So kann es wohl sein.
Schein, ich halte Euch für einen guten Lehrer
Und Abstinenz für sehr klug;
Ihr scheint wirklich einer Meinung zu sein.
Was empfiehlt Ihr mir zu tun?
- Beichten werdet Ihr auf der Stelle
Und ohne Umschweife diese Sünde bekennen;
und über diese werdet Ihr Reue empfinden,
denn ich bin ein Ordensmann und ein Priester,
im Abnehmen der Beichte der größte Meister,
den es gibt, so weit die Welt reicht;
ich trage auch Sorge für die ganze Welt;
und das tat niemals irgendein Pfarrer,
wie sehr ergeben er auch seiner Kirche sei;
und ich habe auch, bei der höchsten Frau!
hundertmal mehr Mitleid mit Eurer Seele
als Eure Gemeindepfarrer,
wie sehr einer auch Euer gewöhnlicher Seelsorger sei.
Und ich habe auch noch einen weiteren Vorzug:
Die Prälaten selbst sind nicht so klug
und so überaus gelehrt wie ich;
ich habe die Erlaubnis, Theologie zu lehren,
ja, bei Gott! ich habe sie schon seit langem gelehrt.
Zum Beichtvater haben mich die Besten
auserwählt, die man nur kennen kann,
wegen meines Verstands und meines Wissens.
Wenn Ihr jetzt die Beichte ablegen wollt
und von dieser Sünde sofort ablasst,
so werdet Ihr, ohne dass sie noch jemals
erwähnt wird, meine Absolution erhalten.
Der böse Mund bückt sich sogleich,
kniet nieder und beichtet,
denn er war schon wahrhaft bußfertig;
und jener packt ihn an der Gurgel,
mit beiden Fäusten umklammert er sie und erwürgt ihn,
und er hat ihn um seine Großsprecherei gebracht;
die Zunge schneidet er ihm mit seinem Rasiermesser ab.
(Übersetzung: Guillaume de Lorris, Jean de Meun: Der Rosenroman.
Übersetzt und eingeleitet von Karl August Ott, München, 1978, S. 679f.)
Dokument 2: Von Papst Honorius III. am 29. November 1223 erlassene Bulle der Regeln des Franziskanerordens
Transkription
Honorius episcopus servus servorum Dei, dilectis filiis fratri Francis-
co, et aliis fratribus de ordine fratrum Minorum, salutem et apostolicum
benedictionem.
Solet annuere Sedes Apostolica piis votis, et honestis petentium desideriis
favorem benevolum impartiri. Ea propter, dilecti in Domino filii, vestris
piis precibus inclinati, ordinis vestri regulam a bonae memoriae Innocentio
Papa praedecessore nostro approbatam, annotatam praesentibus, auctoritate
vobis apostolica confirmamus, et praesentis scripti patrocinio communimus.
Quae talis est.
In nomine Domine
Incipit Regula et vita Fatrum Minorum
Regula et vita fratrum Minorum haec est, scilicet Domini nostri Iesu
Christi sanctum Evangelium observare, vicendo in obedientia, sine proprio, et in
castitate. Frater Franciscus promittit obedientiam et reverentiam domino
Papae Honorio ac successoribus eius canonice intrantibus, et Ecclesiae
Romanae. Et alii frates teneantur fratri Francisco et eius successoribus
obedire.
De hiis qui voluti vitam istam accipere et qualiter recepi debeant.
Si quid voluerint hanc vitam accipere, et venerint ad fratres nostros, mittant
eos ad suos ministros provinciales, quibus solummodo, et non aliis, fratres
recipiendi licentia concedatur. Ministri vero diligenter examinent eos de fide
catholica et ecclesiasticis sacramentis. Et si haec omnia credant, et velint
ea fideliter confiteri, et usque in finem firmiter observare, et uxores non
habeant, vel si habent, et monasterium iam intraverint uxores, vel licentiam
eis dederint, auctoritate dioecesani episcopi voto continentiae iam emisso,
et illius sint aetatis uxores, quod non possit de eis oriri suspicio, dicant illis
verbum sancti Evangelii, quod vadant et vendant omnia sua bona, et ea
studeant pauperibus erogare. Quod si facere non potuerint, sufficit eis bona
voluntas. Et caveant fratres, et eorum ministri, ne soliciti sint de rebus suis
temporalibus, ut libere faciant de rebus suis quicquid Dominus inspiraverit
eis. Si tamen consilium requiratur, licentiam habeant ministri mittendi
eos ad aliquos Deum timentes, quorum consilio bona sua pauperibus
erogentur. Postea concedant eis pannos probationis, videlicet duas tunicas
sine capucio, et cingulum, et brachas, et caparonem usque ad cingulum,
nisi eisdem ministris aliud secundum Deum aliquando videatur. Finito vero
anno probationis recipiantur ad obedientiam; promittentes vitam istam
semper, et regulam obervare. Et nullo modo licebit eis de ista religione
exire iuxta mandatum domini Papae. Quia secundum sanctum Evangelium
nemo mittens manum ad aratrum, et aspiciens retro aptus est regno Dei.
Et qui iam promiserunt obedientiam, habeant unam tunicam cum capucio,
et aliam sine capucio, qui voluerint habere. Et qui necessitate conguntur,
possint portare calciamenta. Et fratres omnes vestimentis vilibus induantur,
et possint vita minroum fratrum ea repetiare de saccis et aliis petiis cum
benedictione Dei. Quos moneo et exhortor, ne despiciant, neque iudicent
homines, quos mollibus viderint vestimentis et coloratis indutos, uti cibis et
potibus delicatis; sed magis unusquisque iudicet et despiciat semetipsum.
De divino officio et ieiunio et quoniam fratres debeant ire per mundum.
Clerici faciant divinum Officium secundum ordinem Sanctae Romanae
Ecclesiae, excepto psalterio, ex quo habere poterunt breviaria, Laici vero
dicant vigintiquatuor Pater noster pro matutino, pro laude quinque, pro
prima tertia, sexta, nona, pro qualibet istarum septem, pro vesperis autem
duodecim, pro completorio septem, et orent pro defunctis. Et ieiunent
a festo Omnium Sanctorum usque ad Nativitatem Domini; sanctam vero
quadragesimam, quae incipit ab Epyphania usque ad continuos quadraginta
dies, quam Dominus suo sancto ieiunio consecravit, qui voluntarie eam
ieiunant, benedicti sint a Domino, et qui nolunt, non sunt adstricti, sed
aliam usque ad Resurrectionem Domini ieiunent. Aliis autem temporibus
non teneantur fratres nisi sexta feria ieiunare; tempore vero manifestae
necessitatis non teneantur fratres ieiunio corporali. Consulo vero, moneo
et exhortor fratres meos in Domino Iesu Christo, ut quando vadunt per
mundum, non litigent, neque contendant verbis, nec alios iudicent. Sed sint
mites, pacifici et modesti, mansueti et humiles, honeste loquentes omnibus,
sicut decet. Et non debeant equitare, nisi manifesta necessitate vel infirmitate
cogantur. In quamcumque domum intraverint, primum dicant: Pax huic
domui. Et secundum sanctum Evangelium de omnibus cibis qui apponuntur
eis liceat manducare.
Omnes fratres non recipiant pecuniam.
Praecipio firmiter fratribus universis, ut nullo modo denarios, vel pecuniam
recipiant, per se vel per interpositam personam. Tamen pro necessitatibus
infirmorum, et aliis fratribus induendis, per amicos spirituales, ministri
tantum, et custodes sollicitam curam gerant secundum loca, et tempora, et
frigidas regiones, sicut necessitati viderint expedire. Eo semper salvo, ut,
sicut dictum est, denarios vel pecuniam non recipiant.
De modo laborandi.
Fratres illi, quibus gratiam dedit Dominus laborandi, laborent fideliter
et devote, ita quod, excluso otio animae inimico, sanctae orationis et
devotionis spiritum non extinguant, cui debent caetera temporalia deservire.
De mercede vero laboris pro se et suis fratribus; corporis necessaria
recipiant, praeter denarios, vel pecuniam, et hoc humiliter, sicut decet
servos Dei et Pauperitatis santissimae sectatores.
Quod nihil approbaret sibi fratres et de helemosina pretenda et de fratribus
infirmis.
Fratres nihil sibi approprient, nec domum, nec locum, nec aliquam rem, et
tamquam peregrini et advenae in hoc saeculo, in paupertate et humilitate
Domino famulantes, vadant pro helemosina confidenter. Nec oportet eos
verecundari, quia Dominus pro nobis se fecit pauperem in hoc mundo.
Haec est illa celsitudo altissimae pauperitatis, quae vos carissimos fratres
meos, haeredes et Reges Regni coelorum instituit, pauperes rebus fecit,
virtutibus sublimavit. Haec sit portio vestra, quae perducit in terram
viventium, cui, dilectissimi fratres, totaliter inhaerentes, nihil aliud pro
nomine Domini nostri Iesu Christi in perpetuum sub coelo habere velitis. Et
ubicumque sunt, et se invenerint fratres, ostendant se domesticos invicem
inter se, et secure manifestet unus alteri necessitatem suam. Quia se mater
nutrit et diligit filium suum carnalem, quanto diligentius debet quis diligere
et nutrire fratrem suum spiritualem? Et si quis eorum in infirmitate cecederit,
alii fratres debent ei servire, sicut vellent sibi serviri.
De penitentia fratribus peccantibus imponenda
Si qui fratrum, instigante inimico, moraliter peccaverint, pro illis peccatis, de
quibus ordinatum fuerit inter fatres, ut recurratur ad ministros provinciales,
teneantur praedicti fratres ad eos recurrere quam citius poterunt sine
mora. Ipsi vero ministri si presbyteri sunt, cum misericordia iniungant
illis poenitentiam. Si vero presbyteri non sunt, iniungi faciant per alios
sacerdotes ordinis, sicut eis secundum Deum melius videbitur expedire.
Et cavere debent, ne irascantur et conturbentur propter peccatum alicuius,
quia ira et conturbatio in se et in aliis impediunt charitatem.
De elctione gerneralis ministri huius fraternitatis. De capitulo Pentecostes.
Universi fratres unum de fratribus istius religionis teneantur semper habere
generalem ministrum, et servum totius fraternitatis, et ei teneantur firmiter
obedire. Quo decedente, electio successoris fiat a ministris provincialibus
et custodibus in capitulo Pentecostes, in quo provinciales ministri
teneantur semper insimul convenire, ubicumque a generali ministro fuerit
constitutum. Et hoc semel in tribus annis, vel ad alium terminum maiorem
vel minorem, sicut a preadicto ministro fuerit ordinatum. Et si aliquo
tempore appareret universitati ministrorum provincialium et custodum
praedictum ministrum non esse sufficentem ad servitium et communem
utilitatem fratrum, t eneantur preadicti fratres, quibus electio data est, in
nomine Domini alium sibi eligere in custodem. Post capitulum vero
Pentecostes ministri, et custodes possint singoli, si voluerint, et eis expedire
videbitur, eodem anno in suis custodiis semel fratres suos ad capitulum
convocare.
De predicatoribus.
Fratres non praedicent in episcopatu alicuius episcopi, cum ab eo illis fuerit
contradictum. Et nullus fratrum populo penitus audeat preadicare, nisi
a ministro generali huius fraternitatis fuerit examinatus et approbatus, et
ab eo officium praedicationis sibi concessum. Moneo quoque, et eosdem
exhortor fratres, ut in preadicatione, quam faciunt, sint examinata et cas-
ta eorum eloquia, ad utilitatem et aedificationem populi, annunciando eis
vitia et virtutes poenam et gloriam cum brevitate sermonis, quia verbum
abbreviatum fecit Dominus super terram.
De ammonitione et correctione fratrum.
Fratres, qui sunt ministri et servi aliorum fratrum, visitent, et moneant fratres
suos, et humiliter et caritative corrigant eos, non praecipientes eis aliquid,
quod sit contra animam suam, et regulam nostram. Fratres vero qui sunt
subditi, recordentur, quod propter Deum abnegaverunt proprias voluntates.
Unde firmiter praecipio eis, ut obediant suis ministris in omnibus, quae
promiserunt Domino observare, et non sint contraria animae et regulae
nostrae. Et ubicumque sunt fratres, qui scirent et cognoscerent se non
posse regulam spiritualiter observare, ad suos ministros debeant et possint
recurrere. Ministri vero caritative et benigne eos recipiant, et tantam fami-
litaritatem habeant circa ipsos, ut dicere possint eis, et facere sicut domini
servis suis. Nam ita debet esse, quod ministri sint servi omnium fratrum.
Moneo quoque, et exhortor in Domino Iesu Christo, ut caveant fratres ab
omni superbia, vanagloria, invidia, avaritia, cura et sollicitudine huius saeculi,
detractione et murmuratione. Et non curent nescientes litteras discere, sed
attendant, quod super omnia desiderare debent habere spiritum Domini et
sanctam eius operationem, orare semper ad Deum puro corde, et habere
humilitatem, patientiam in persecutione et in infirmitate, et deligere eos,
qui nos persequuntur et reprehendunt et arguunt, quia dicit Dominus:
Diligite inimicos vestos, et orate pro persequentibus et calumniantibus vos;
Beati qui persecutionem patiuntur propter iustitiam, quoniam ipsorum est
regnuum coelorum; Qui autem perseveraverit usque in finem, hic salvus
erit.
Quod fratres non ingrediantur monasteria monacharum.
Praecipio firmiter fratribus universis ne habeant suspecta consortia, vel
consilia mulierum, Et ne ingrediantur monasteria monacharum, praeter illos
quibus a Sede Apostolica concessa est licentia specialis. Nec fiant compatres
virorum vel mulierum, ne hac occasione, inter fratres, vel de fratribus
scandalum oriatur.
De euntibus inter Saracenos et alios infideles.
Quicumque fratrum divina inspiratione voluerint ire inter Saracenos et alios
infideles, petant inde licentiam a suis ministris provincialisbus. Ministri
vero nullis licentiam tribuant eundi, nisi eis quos viderint esse idoneos ad
mittendum.
Ad haec, per obedientiam iniungo ministris, ut petant a domino Papa unum
de Sanctae Romanae Ecclesiae cardinalibus, qui sit gubernator, et protector
et corrector istius fraternitatis, ut semper subditi et subiecti pedibus eiusdem
Sanctae Ecclesiae stabiles in fide catholica paupertatem et humilitatem, et
sanctam Evangelium Domini nostri Iesu Christi, quod firmiter promisimus,
observemus.
Nulli ergo omnio hominum liceat hanc paginam nostrae confirmationis
infringere vel ei ausu temerario contraire. Si quis autem etc.
Datum Laterani tertio kalendas decembris, pontificatus nostri anno octavo
Dat. die 29 novem. 1223 pont. an. VIII
(Transkription: Christine Maria Grafinger)
Übersetzung
Honorius, Bischof, Diener der Diener Gottes, den geliebten Söhnen, Bruder
Franziskus und den anderen Brüdern vom Orden der Minderen Brüder,
Heil und Apostolischen Segen.
Der Apostolische Stuhl pflegt sich frommem Begehren zu neigen und gezie-
menden Wünschen der Bittsteller wohlwollende Förderung zu erteilen. Daher,
im Herrn geliebte Söhne, haben Wir Uns euren frommen Bitten geneigt und
bestätigen euch kraft apostolischer Vollmacht die Regel eures Ordens, die
von Papst Innozenz, Unserem Vorgänger seligen Angedenkens, gutgeheißen
wurde und in vorliegendem Schreiben festgehalten ist, und bekräftigen sie
durch den Schutz gegenwärtigen Schreibens. Sie lautet wie folgt:
Im Namen des Herrn!
Es beginnt die Lebensweise der Minderen Brüder:
Regel und Leben der Minderen Brüder ist dieses, nämlich unseres Herrn Jesu
Christi heiliges Evangelium zu beobachten durch ein Leben in Gehorsam,
ohne Eigentum und in Keuschheit. Bruder Franziskus verspricht Gehorsam
und Ehrerbietung dem Herrn Papst Honorius und seinen rechtmäßigen
Nachfolgern sowie der römischen Kirche.
Und die anderen Brüder sollen verpflichtet sein, dem Bruder Franziskus
und dessen Nachfolgern zu gehorchen.
Von denen, die dieses Leben annehmen wollen, und wie sie aufgenommen
werden sollen:
Wenn einer dieses Leben annehmen will und zu unseren Brüdern kommt,
sollen diese ihn zu ihren Provinzialministern schicken; diesen allein und
sonst niemandem sei die Befugnis zugestanden, Brüder aufzunehmen. Die
Minister aber sollen sie sorgfältig über den katholischen Glauben und die
Sakramente der Kirche prüfen. Und wenn sie dies alles glauben und es treu
bekennen und bis ans Ende fest beobachten wollen; und wenn sie keine
Ehefrauen haben oder ihre Frauen – falls sie eine haben – auch schon in
ein Kloster eingetreten sind oder ihnen nach Ablegung des Gelübdes der
Enthaltsamkeit mit Ermächtigung des Diözesanbischofs Erlaubnis gegeben
haben; und wenn ihre Frauen solchen Alters sind, dass kein Verdacht über sie
entstehen kann, dann sollen sie [die Minister] ihnen das Wort des heiligen
Evangeliums sagen, dass sie hingehen und all das Ihrige verkaufen (vgl.
Mt 19,21) und Sorge tragen, es unter die Armen zu verteilen. Wenn sie
das nicht tun können, genügt ihnen der gute Wille. Und die Brüder und
ihre Minister sollen sich hüten, sich um deren zeitliche Habe zu kümmern,
damit sie ungehindert mit ihrer Habe tun können, was der Herr ihnen ein-
geben mag. Wenn sie jedoch um Rat ersucht werden, soll es den Ministern
erlaubt sein, sie an gottesfürchtige Leute zu verweisen, nach deren Rat ihre
Güter an die Armen verteilt werden mögen. Danach sollen sie ihnen die
Kleidung für die Probezeit gewähren, nämlich zwei Habite ohne Kapuze
und einen Gürtelstrick und Hosen und einen Kaparon bis zum Gürtel, falls
nicht den erwähnten Ministern einmal etwas anderes vor Gott angemessen
erscheinen sollte. Ist aber das Probejahr beendet, sollen sie zum Gehorsam
angenommen werden, indem sie versprechen, dieses Leben und diese Regel
immer zu befolgen. Und gemäß der Anordnung des Herrn Papstes soll
ihnen unter keinen Umständen erlaubt sein, aus diesem Orden auszutreten,
weil nach dem heiligen Evangelium „niemand, der die Hand an den Pflug
legt und rückwärts schaut, zum Reiche Gottes tauglich ist“ (Lk 9,62). Und
jene, die den Gehorsam schon versprochen haben, sollen einen Habit mit
Kapuze und, falls sie ihn haben wollen, einen anderen ohne Kapuze haben.
Und die durch Not gezwungen sind, können Schuhwerk tragen. Und alle
Brüder sollen geringwertige Kleidung tragen und sollen sie mit grobem
Tuch und anderen Tuchstücken verstärken können mit dem Segen Gottes.
Ich warne und ermahne sie, jene Leute nicht zu verachten oder zu verurtei-
len, die sie weiche und farbenfrohe Kleider tragen (vgl. Mt 11,8) und sich
auserlesener Speisen und Getränke bedienen sehen, sondern vielmehr soll
jeder sich selbst verurteilen und verachten.
Vom Göttlichen Offizium und vom Fasten und wie die Brüder durch die
Welt ziehen sollen:
Die Kleriker sollen das Göttliche Offizium nach der Anordnung der heiligen
Kirche von Rom verrichten, den Psalter ausgenommen; darum dürfen sie
Breviere haben. Die Laien aber sollen vierundzwanzig Vaterunser beten für
die Matutin, für die Laudes fünf, für Prim, Terz, Sext, Non je sieben pro
Hore, für die Vesper aber zwölf, für die Komplet sieben; und sie sollen für
die Verstorbenen beten. Und sie sollen fasten vom Fest Allerheiligen bis zur
Geburt des Herrn. Jene aber, die die heilige vierzigtägige Fastenzeit, die
von Epiphanie an ohne Unterbrechung vierzig Tage dauert und die der
Herr durch sein heiliges Fasten geweiht hat (vgl. Mt 4,2), freiwillig halten,
sollen vom Herrn gesegnet sein; und die nicht wollen, sollen nicht ver-
pflichtet sein. Die andere Fastenzeit aber bis zur Auferstehung des Herrn
sollen sie halten. Zu anderen Zeiten aber sollen sie nicht zum Fasten
gehalten sein, außer am Freitag. Jedoch zur Zeit offensichtlicher Not sollen
die Brüder zu leiblichem Fasten nicht gehalten sein. Ich rate aber meinen
Brüdern, warne und ermahne sie im Herrn Jesus Christus, dass sie, wenn
sie durch die Welt ziehen, nicht streiten, noch sich in Wortgezänk einlassen
(vgl. 2 Tim 2,14), noch andere richten. Vielmehr sollen sie milde, friedfertig
und bescheiden, sanftmütig und demütig sein und mit allen anständig
reden, wie es sich gehört. Und sie dürfen nicht zu Pferd reiten, falls sie
nicht durch offenbare Not oder Schwäche gezwungen werden. Welches
Haus sie auch betreten, sollen sie zuerst sagen: „Friede diesem Hause“ (Lk
10,5). Und nach dem heiligen Evangelium soll es ihnen erlaubt sein, von
allen Speisen zu essen, die ihnen vorgesetzt werden (vgl. Lk 10,8).
Dass die Brüder kein Geld annehmen sollen:
Ich gebiete allen Brüdern streng, auf keine Weise Münzen oder Geld
anzunehmen, weder selbst noch durch eine Mittelsperson. Doch für die
Bedürfnisse der Kranken und die Bekleidung der anderen Brüder sollen
einzig die Minister und Kustoden mit Hilfe geistlicher Freunde gewissenhaft
Sorge tragen nach Maßgabe der Orte und Zeiten und kalten Gegenden, wie
sie sehen werden, dass es der Not abhelfe; immer aber mit dem Vorbehalt,
dass sie, wie gesagt, nicht Münzen oder Geld annehmen.
Von der Art zu arbeiten:
Jene Brüder, denen der Herr die Gnade gegeben hat, arbeiten zu können,
sollen in Treue und Hingabe arbeiten, so dass sie zwar den Müßiggang, den
Feind der Seele, ausschließen, aber den Geist des heiligen Gebetes und der
Hingabe nicht auslöschen, dem alle übrigen zeitlichen Dinge dienen müs-
sen. Was aber den Lohn der Arbeit angeht, so mögen sie für sich und ihre
Brüder das zum leiblichen Unterhalt Notwendige annehmen, außer Münzen
oder Geld; und dies demütig, wie es sich für Knechte Gottes und Anhänger
der heiligsten Armut geziemt.
Dass die Brüder nichts als ihr Eigentum erwerben dürfen sowie vom Bitten
um Almosen und von den kranken Brüdern:
Die Brüder sollen sich nichts aneignen, weder Haus noch Ort noch irgend-
eine andere Sache. Und gleichwie Pilger und Fremdlinge (vgl. 1 Petr 2,11)
in dieser Welt, die dem Herrn in Armut und Demut dienen, mögen sie voll
Vertrauen um Almosen bitten gehen; und sie sollen sich dabei nicht schämen,
weil der Herr sich für uns in dieser Welt arm gemacht hat (vgl. 2 Kor 8,9).
Dies ist jene Erhabenheit der höchsten Armut, die euch, meine geliebtesten
Brüder, zu Erben und Königen des Himmelreiches eingesetzt, an Dingen
arm, aber an Tugenden reich gemacht hat (vgl. Jak 2,5). Diese soll euer
Anteil sein, der hinfährt in das Land der Lebenden (vgl. Ps 141,6). Ihr ganz
und gar anhängend, geliebteste Brüder, trachtet danach um des Namens un-
seres Herrn Jesu Christi willen auf immer unter dem Himmel nichts anderes
besitzen zu wollen! Und wo immer die Brüder sind und sich treffen, sollen
sie sich einander als Hausgenossen erzeigen. Und vertrauensvoll soll einer
dem anderen seine Not offenbaren; denn wenn schon eine Mutter ihren
leiblichen Sohn nährt und liebt (vgl. 1 Thess 2,7), um wie viel sorgfältiger
muss einer seinen geistlichen Bruder lieben und nähren? Und wenn einer
von ihnen in Krankheit fällt, dann müssen die anderen Brüder ihm so die-
nen, wie sie selbst bedient sein wollten (vgl. Mt 7,12).
Von der Buße, die sündigen Brüdern auferlegt werden soll:
Wenn Brüder auf Anreiz des bösen Feindes tödlich sündigen und es sich
um solche Sünden handelt, für die unter den Brüdern verordnet ist, dass
man sich allein an die Provinzialminister wende, sollen diese Brüder sich
an sie wenden, sobald sie können, ohne Verzug. Die Minister selbst aber,
wenn sie Priester sind, sollen ihnen mit Erbarmen eine Buße auferlegen;
wenn sie aber nicht Priester sind, sollen sie die Buße durch andere Priester
des Ordens auferlegen lassen, wie es ihnen vor Gott am besten scheint.
Und sie müssen sich hüten, wegen der Sünde, die jemand begangen hat,
zornig und aufgeregt zu werden; denn Zorn und Aufregung verhindern in
ihnen selbst und in den anderen die Liebe.
Von der Wahl des Generalministers dieser Bruderschaft und vom Pfingst-
kapitel:
Die Brüder in ihrer Gesamtheit sollen gehalten sein, immer einen von
den Brüdern dieses Ordens als Generalminister und Diener der gesamten
Bruderschaft zu haben, und sollen verpflichtet sein, ihm fest zu gehorchen.
Tritt er ab, so werde die Wahl des Nachfolgers von den Provinzialministern
und Kustoden auf dem Pfingstkapitel durchgeführt, zu dem die Provinzial-
minister stets dort zusammenkommen sollen, wo es der Generalminister
festgelegt hat; und das einmal in drei Jahren oder zu einem anderen, spä-
teren oder früheren Zeitpunkt, so wie es der genannte Minister verordnen
wird. Und sollte es jemals der Gesamtheit der Provinzialminister und Kus-
toden scheinen, der erwähnte Minister sei zum Dienst und gemeinsamen
Wohl der Brüder unzureichend, dann sollen die genannten Brüder, denen
die Wahl zusteht, gehalten sein, sich im Namen des Herrn einen anderen
zum Oberen zu wählen. Nach dem Pfingstkapitel aber können die einzel-
nen Minister und Kustoden, wenn sie wollen und es für nützlich erachten,
noch im gleichen Jahre ihre Brüder in ihren Gebieten einmal zum Kapitel
zusammenrufen.
Von den Predigern:
Die Brüder dürfen im Bistum eines Bischofs nicht predigen, wenn es ihnen
von diesem untersagt worden ist. Und keiner der Brüder wage es, über-
haupt dem Volke zu predigen, wenn er nicht vom Generalminister dieser
Bruderschaft geprüft und bestätigt und ihm von diesem das Predigtamt
gewährt worden ist. Ich warne auch und ermahne diese Brüder, dass in der
Predigt, die sie halten, ihre Worte wohl bedacht und lauter sein sollen (vgl.
Ps 11,7; 17,31), zum Nutzen und zur Erbauung des Volkes, indem sie zu
ihnen sprechen von den Lastern und Tugenden, von der Strafe und Herr-
lichkeit mit Kürze der Rede, weil der Herr auf Erden sein Wort kurz gefasst
hat (vgl. Röm 9,28).
Von der Ermahnung und Zurechtweisung der Brüder:
Jene Brüder, die Minister und Diener der anderen Brüder sind, sollen ihre
Brüder aufsuchen und ermahnen und sie in Demut und Liebe zurecht -
weisen, ohne ihnen etwas zu befehlen, was gegen ihre Seele und unsere
Regel wäre. Die Brüder aber, die Untergebene sind, sollen beherzigen, dass
sie um Gottes willen dem eigenen Willen entsagt haben. Daher gebiete ich
ihnen streng, dass sie ihren Ministern in allem gehorchen, was sie zu halten
dem Herrn versprochen haben und was nicht ihrer Seele und unserer Regel
zuwider ist. Und falls irgendwo Brüder sind, die wissen und erkennen
sollten, dass sie die Regel nicht im vollen Glauben beachten können, dann
sollen und können sie zu ihren Ministern Zuflucht nehmen. Die Minister
aber sollen sie liebevoll und gütig aufnehmen und ihnen mit so großer
Herzlichkeit begegnen, dass sie mit ihnen reden und tun können wie
Herren mit ihren Knechten. Denn so soll es sein, dass die Minister die
Knechte aller Brüder sind. Ich warne aber und ermahne im Herrn Jesus
Christus, dass die Brüder sich hüten mögen vor allem Stolz, eitler Ruhm-
sucht, Neid, Habsucht (vgl. Lk 12,15), der Sorge und dem geschäftigen
Treiben dieser Welt (vgl. Mt 13,22), vor Verleumden und Murren; und die
von den Wissenschaften keine Kenntnis haben, sollen nicht danach trach-
ten, Wissenschaften zu erlernen. Vielmehr sollen sie darauf achten, dass
sie über alles verlangen müssen, den Geist des Herrn zu haben und sein
heiliges Wirken, immer zu Gott zu beten mit reinem Herzen, Demut zu
haben, Geduld in Verfolgung und Krankheit und jene zu lieben, die uns
verfolgen und tadeln und beschuldigen, denn der Herr sagt: „Liebet eure
Feinde und betet für jene, die euch verfolgen und verleumden“ (Mt 5,44).
„Selig, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das
Himmelreich“ (Mt 5,10). „Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet
werden“ (Mt 10,22).
Dass die Brüder die Klöster der Nonnen nicht betreten sollen:
Ich befehle streng allen Brüdern, keine verdächtigen Beziehungen oder
Beratungen mit Frauen zu haben und die Klöster der Nonnen nicht zu
betreten, jene Brüder ausgenommen, denen vom Apostolischen Stuhl eine
besondere Erlaubnis erteilt worden ist. Weder sollen sie eine Patenstelle bei
Männern oder Frauen übernehmen, noch entstehe bei solcher Gelegenheit
unter den Brüdern oder durch die Brüder ein Ärgernis.
Von denen, die unter die Sarazenen und andere Ungläubige gehen:
Jene Brüder, die auf göttliche Eingebung hin unter die Sarazenen oder
andere Ungläubige gehen wollen, sollen dazu von ihren Provinzialministern
die Erlaubnis erbitten. Die Minister aber sollen nur denen die Erlaubnis zu
gehen erteilen, die sie für die Mission tauglich erachten. Außerdem lege
ich den Ministern im Gehorsam die Pflicht auf, vom Herrn Papst einen
aus den Kardinälen der heiligen Römischen Kirche zu erbitten, der diese
Bruderschaft lenke, in Schutz und in Zucht nehme, auf dass wir, allezeit
den Füßen dieser heiligen Kirche untertan und unterworfen, feststehend
im katholischen Glauben (vgl. Kol 1,23), die Armut und Demut und das
heilige Evangelium unseres Herrn Jesus Christus beobachten, was wir fest
versprochen haben.
Keinem Menschen soll es nun gestattet sein, dieses Unser Bestätigungs-
schreiben anzufechten oder mit leichtfertigem Unterfangen dagegen an-
zukämpfen. Sollte aber jemand sich herausnehmen, dies zu versuchen, so
wisse er, dass der sich die Ungnade des allmächtigen Gottes und seiner
heiligen Apostel Petrus und Paulus zuziehen wird.
Gegeben im Lateran am 29. November im 8. Jahre Unseres Pontifikates, d.h.
1223.
(Übersetzung: Archiv Verlag)