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„Ich glaube nicht, dass derselbe Gott, der uns Sinne, Vernunft und Verstand gab, uns ihren Gebrauch verbieten wollte.“

– Der Prozess Galileo Galilei, 1633

 

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1. Übersetzung: Die Prozessakten von Galileo Galilei

 Archivio Segreto Vaticano, Misc. Arm X 204, ff. 84r–87v

 

... Kopernikus, und warum die Begründungen desselben Kopernikus ungültig und nicht beweisend sind.

Aus diesen Gründen wurde die gerichtliche Untersuchung vertagt und ihm als Gefängnis eine Kammer des Dormitoriums im Palast des Heiligen Offiziums zugewiesen, mit dem Befehl unter Androhung der Verhängung einer Strafe nach dem Gutdünken der Heiligen Kongregation, dieselbe nicht ohne beson­dere Erlaubnis zu verlassen und er gelobte eidlich, über den Prozess Still­schweigen zu bewahren. 

Ich, Galileo Galilei, habe ausgesagt wie oben.

Am 30. April 1633

Ich habe mehrere Tage lang ununterbrochene und angestrengte Überle­gungen zu den mir am 16. dieses Monats vorgelegten Fragen angestellt, namentlich zu der Frage, ob mir vor sechzehn Jahren auf Befehl des Heiligen Offiziums untersagt worden sei, die damals schon verdammte Meinung von der Bewegung der Erde und dem Stillstehen der Sonne für wahr zu halten und in irgendeiner Weise zu verteidigen. Dabei kam es mir in den Sinn, mei­nen gedruckten Dialog erneut zu lesen, welchen ich seit drei Jahren nicht mehr durchgesehen hatte, um sorgfältig zu prüfen, ob gegen meine besten Absichten aus Unachtsamkeit irgendetwas aus meiner Feder geflossen sei, was den Leser oder die Oberen veranlassen könnte, bei mir nicht nur den Makel des Ungehorsams zu entnehmen, sondern auch anderes, was mich als den Anord­nungen der Heiligen Kirche zuwiderhandelnd erscheinen lassen könnte. Dank der gütigen Erlaubnis der Oberen wurde mir gestattet, einen Diener auszuschicken, welcher mir ein Exemplar meines Buches verschaffte, woraufhin ich es mit großer Auf­merksamkeit las und bis ins Einzelne prüfte. Und da es mir, weil ich es lange nicht mehr gelesen hatte, wie eine neue und von einem anderen Verfasser geschriebene Schrift vorkam, so muss ich gestehen, dass sie mir an gewissen Stellen so abgefasst erschien, dass ein Leser, der meine Gesinnung nicht kennt, dadurch den Eindruck gewinnen könnte, dass die Argumente, welche für die Ansicht, die falsch ist und welche ich zu widerlegen beabsichtigte, angeführt werden, seien so dargelegt, dass sie eher als beweiskräftig denn als leicht zu widerlegen erscheinen, insbesondere zwei von ihnen, das von den Sonnenflecken und das von der Ebbe und Flut des Meeres, würden in der Tat in einer Weise als starke und beweiskräftige Argumente dargestellt, wie es sich für einen Verfasser nicht gezieme, der sie für unschlüssig halte und widerle­gen wolle, wie ich sie doch gänzlich und wahrlich nicht für beweisend, son­dern für widerlegbar hielt und halte. Und um mich bei mir selbst dafür zu rechtfertigen, einem meinen Absichten so fremden Irrtum unterlegen zu sein, genügte es mir nicht völlig, zu sagen, dass wenn man die gegnerischen Argu­mente darstelle, um sie zu widerlegen, so müsse man sie, namentlich wenn man in der Form eines Dialogs schreibe, in der schärfsten Weise vortragen und nicht zugunsten des Gegners abschwächen. Da mir diese Rechtfertigung also nicht genügte, berief ich mich auf die Entschuldigung, dass ein jeder von Natur aus dazu neigt, an seiner eigenen Klugheit Gefallen zu finden und auch daran, sich dadurch scharfsinniger als die meisten Menschen zu zeigen, dass es ihm gelingt, auch falsche Meinungen durch geistreiche und glänzende Argumentation als wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Bei alldem und gleichwohl ich, um mit Cicero zu reden, „avidior sim gloriae quam satis est“, würde ich doch, wenn ich jetzt dieselben Begründungen niederzuschreiben hätte, sie zweifellos so abschwächen, dass sie nicht den Eindruck erwecken würden, als besäßen sie eine Beweiskraft, die sie ihrem Wesen nach und in Wirklichkeit nicht besitzen. Mein Irrtum, den ich eingestehe, wurde also aus eitlem Ehrgeiz begangen und war durch reine Unwissenheit und Unachtsam­keit begründet. Das ist es, was ich bezüglich dessen zu sagen habe, was mir bei dem Wiederdurchlesen meines Buches in den Sinn gekommen ist.

Darauf gab er noch Folgendes zu Protokoll:

Zur Bekräftigung meiner Versicherung, dass ich die verdammte Meinung von der Bewegung der Erde und dem Stillstehen der Sonne weder für wahr gehal­ten habe noch für wahr halte, bin ich bereit, wenn mir Möglichkeit und Zeit gewährt werden wird, wie ich es wünsche, einen viel klareren Beweis davon liefern zu können, schicke ich mich an, es zu tun und es ist die beste Gele­genheit in Anbetracht dessen, dass die Gesprächspartner im Zusammenhang mit dem bereits erschienenen Buch vereinbart haben, dass sie sich nach einer bestimmten Zeit noch zusammensetzen müssen, um verschiedene, von dem in ihren Zusammenkünften behandelten Thema getrennte Probleme zu be­sprechen. Bei dieser Gelegenheit also, indem ich einen oder zwei weitere Tage hinzufügen darf, verspreche ich die Argumente, die ich schon zugunsten dieser falschen und verdammten Ansicht angeführt habe, wiederaufzunehmen und ich werde sie in viel wirksamerer Weise, die mir vom Herrgott erteilt wird, widerlegen. Ich bitte daher dieses heilige Gericht, dass es mit mir zusammen zu der günstigen Lösung – mit der mir die Möglichkeit zugewilligt wird, sie in die Praxis umsetzen zu können – beitragen wird. Und nochmals unterzeichne ich
Ich Galileo Galilei bekräftige wie oben.

Am selben Tag, den 30. April 1633

Der ehrwürdige Pater Bruder Frater Vincenzo Maculani da Fiorenzuola, Gene­ralkommissar der heiligen römischen und allgemeinen Inquisition, bestimmte in Anbetracht des schlechten Gesundheitszustands und des fortgeschrittenen Alters des oben erwähnten Galileo Galilei nach der Erwähnung dieses Tatbe­standes gegenüber dem Heiligen Vater, dass ihm der Palast des durchlauchten Botschafters des Großherzogs der Toskana als Wohnsitz zugewiesen werde und befahl diesem, den besagten Palast als Gefängnisplatz zu betrachten und mit keinem anderen als den Familienangehörigen und Dienern dieses Palastes verkehren zu dürfen und sich beim Heiligen Offiz zu melden, sooft wie es von der heiligen Kongregation verlangt wird. Es wurde ihm unter Eid, den er leistete, indem er die Heilige Schrift mit der Hand berührte, die Schweige­pflicht auferlegt, sowohl das Schweigen zu beachten, was die Lehen seines Hauses angeht, wie auch der oben erwähnten Anordnung zu gehorchen und allem, was darin kund getan wird. Außer diesen etc. abgehalten in Rom, im Festsaal des Palastes des Heiligen Offiziums in Anwesenheit des ehrwürdigen Herrn Tommaso de Federicis, Römer, und Francesco Ballestra aus Offida, Gefängnisaufseher dieses Heiligen Offiziums und der Zeugen etc.

Dienstag, den 10. Mai 1633

Bestellt, erschien persönlich in Rom, im Festsaal des Palastes des Heiligen Offiziums vor dem ehrwürdigsten Dominikanerpater Vincenzo Maculani, Generalkommissar des Heiligen Offiziums etc.,Galileo Galilei, der oben erwähnte; und demselben, der vor dem ehrwürdigen Vater auftrat, dem der Pater Kommissar, die Frist von acht Tagen einräumte, um seine Verteidigung vorzulegen, falls er sie vorlegen will und möchte. Nachdem diese angehört worden ist, sagte er:
Ich habe das vernommen, was der ehrwürdige Vater mir gesagt hat und zu meiner Verteidigung antworte ich und zwar, um die Aufrichtigkeit und Rein­heit meiner Absicht zu zeigen, gar nicht, um zu entschuldigen, dass ich es in irgendeinem Teil übertrieben habe, wie ich es schon gesagt habe, lege ich dieses Schriftstück vor mit einem vom hochwürdigsten Herrn Kardinal Bellar­min schon beigefügten, von eben diesem Herrn Kardinal eigenhändig ver­fassten Beweis, von dem ich schon eine eigenhändig angefertigte Kopie vor­zeigte. Im Übrigen überlasse ich mich in allem der Barmherzigkeit und Milde dieses Gerichtes.
Und seine Unterzeichnung erhalten, wurde er in das Haus des oben er wähnten durchlauchten Botschafters des Großherzogs in der schon bekanntgegebenen Art und Weise zurückgeschickt.

Ich Galileo Galilei eigenhändig


(Übersetzung: Cornelia Volk und Christine Maria Grafinger)