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Als am 29. Mai 1453 die Truppen Sultan Mehmeds II. Konstantinopel eroberten und mit Konstantin XI. der letzte byzantinische Kaiser fiel, bedeutete dies den endgültigen Untergang des Oströmischen Reiches. Die Nachricht des Falls von Byzanz verbreitete sich in Windeseile und löste einen Schock in Europa aus, wo nun mit einer unaufhaltsamen Expansion des Osmanischen Reiches gen Westen gerechnet wurde. 

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1. Übersetzungen

 

Brief des Kardinallegaten Isidor von Kiew 


Biblioteca Apostolica Vaticana, Barb. lat. 2682, f. 58r-59r

An den verehrten Dogen Isidor von Venedig, durch göttliche Barmherzig-
keit Bischof von Sabina der Heiligen Römischen Kirche, gewöhnlich der
ruthenische Kardinal bezeichnet, bietet seinen Gruß im Namen unseres
Herrn Jesus Christus allen und jedem einzelnen Gläubigen in Christus an,
die diesen unseren Brief lesen.
Vernehmt all ihr Völker, schenkt alle Gehör, die ihr da die Erde bewohnt.
Hört alle das, die ihr im frommen und gläubigen Teil des Erdkreises wohnt,
ihr frommen Diener und Minister, Hirten und Fürsten der ganzen Kirche
Christi, und auch ihr Verteidiger und Führer des christlichen Glaubens, und
auch ihr Könige und christliche Fürsten und das ganze christliche Volk, die
ihr euren reinen und unbefleckten Glauben dem allmächtigen und
dreieinigen Gott darbringt, zusammen mit allen und unter allen und
überdies alle, gebt euch ganz Gott hin und trennt euch von der gegen-
wärtigen Welt, habt ihr das Engelskleid des mönchischen Lebens angelegt,
habt ihr auf alle zeitlichen Güter verzichtet und habt ihr, nur um jene
künftigen und ewigen zu erlangen, aus ganzem Herzen das gegenwärtige

Zeitalter verleugnet und alles das was mit dem Zeitalter verbunden ist und
habt ihr die zeitlichen Güter mit jenen künftigen und ewigen des Himmel-
reiches ausgetauscht, hört. Euch allen wird bekannt sein, meine Herren und
gläubigsten Christen, dass sich vor den Türen schon der Vorbote, der Anti -
christ, der Herr und Fürst der Türken, dessen Name Mehmet ist, befindet,
Nachfolger des wohl bekannten früheren, der der Führer der Häresie, ja
noch etwas genauer der Führer der Gottlosigkeit war, aber viel bösartiger
als sein berühmter Vorgänger; jener verleitete tatsächlich mit trügerischen
Reden und verlogenen Menschen ohne jede Erfahrung und Vorbereitung
sich seiner Irrlehre anzuschließen, dieser jedoch plagt und quält die Christen
mit dem Gebrauch seiner großen Stärke und seiner Macht und vor allem
mit dem Schwert und den Torturen, weil er von der Erde den Namen
Christi gänzlich auslöschen will. Er hegt einen Hass, eine Abneigung und
eine so starke Wut gegen die Christen, dass er, wenn er einen Christen mit
seinen Augen sieht, wäscht und wischt sich seine eigenen Augen in der
Annahme sofort eine Entstellung und Verunreinigung zu haben. Einen

solchen Feind des christlichen Glaubens gab es niemals und einen ähn-
lichen wie ihn gibt es nicht, den ein Mensch im christlichen Volk weder
sieht noch sehen wird. Es ist derjenige, der die Stadt Konstantinopel
erstürmt und zerstört hat, die einst glücklichste unter den Städten und nun
leider die unglücklichste und elendste. Wer annehmen wird, aus einem
gesunden Verstand das unermessliche Tränenvergießen der Augen und die
Größe der Trübsal zu entfernen und es einer abgestumpften Seele zuzu-
schreiben, wird ihn für einen absolut entarteten und vergessenen Menschen
in seiner Lebensweise halten. Wenn ich auch doch nicht derjenige bin,
glaube ich in mich gehend der zu sein, der mit Schmerz zusammenfassend
die Ereignisse und die nunmehrige Situation unseres Glaubens erzählen
wird, jedoch nicht das, was in der Gegenwart geschieht und in der Zukunft
geschehen wird. Als zunächst mit der Einwilligung Gottes die Stadt Konstan-
tinopel eingenommen wurde, tötete er einige Einwohner, fesselte er andere
an den Händen und Füßen und am Hals und vertrieb sowohl Adelige wie
das Volk, Mönche und Nonnen, geweihte und andere, die einfachen Be-
wohner, tugendhafte Frauen und Adelige aus der Stadt, in einer ungebühr-
lichen Weise weggeführt, mit Schmähungen überschüttet, als wenn sie in
einem Freudenhaus aufgewachsen wären, glaubte er sie zu entehren und
zu entwürdigen, schmähte er sie ohne Erbarmen und Mitleid, machte er so
und viele Dinge gegen sie, solche und so, wie man sie nicht gegen Tiere
machen würde: Wer könnte solche Ereignisse ohne Scham berichten?
Heranwachsende, Burschen und Mädchen setzten die Hoffnung auf die
Eltern und sie wurden getrennt verkauft. Sie entfernten Kinder sowohl
männliche wie weibliche aus dem Angesicht der Eltern. Die Mütter wurden
der Kinder beraubt, die Frauen der Männer und die Männer wurden von
den Frauen verlassen, die erbärmlich weinten und seufzten: Jene, die
getrennt wurden, wurden in den Westen geführt und in ganz Europa ver-
kauft. Die Väter wurden der Söhne beraubt, die Söhne der Väter, wer bei
gesundem Verstand ist, könnte ihre Tränen und schmerzvollen Worte er-
klären: Von ihnen flüchteten sie, während sie getrennt wurden, während
die Schwestern sich küssten. O weh, ich sah eine andere Situation, die
angetan war, den Liebreiz und die Heiterkeit der Stadt zu genießen. Jene,
kurz zuvor noch Adelige und Fürsten, wurden schlimmer als ihre Diener.
Einige Mohammedaner nötigten sie, die schlimmsten Verleugner des christ-
lichen Glaubens seit mehr als 10 Jahren zu sein, und wurden gezwungen,
Verleugner des nun verachteten und vorschriftswidrigen Glaubens zu sein.
Ich denke, die unter den so viel gesagten Dingen sollten genügen. Aber sie
richteten ihre Schmähungen gegen die heiligsten Tempel der Jungfrau Maria
und anderer Heiliger, gegen die Reliquien und Bilder, gegen die Gestalten

des Leidens unseres Herrn Jesus Christus. Unsagbare und abscheuliche
Schmach wurde gegen die heiligen Evangelien und Bücher der Heiligen
und gegen den Zierrat der Gotteshäuser, die heiligen Altäre sowohl
lateinisch wie griechisch, die heiligen und göttlichen Kreuze und alles was
ehrenwert und verwundbar gegenüber den Christen war, gerichtet. Wer
kann je, ohne viel Tränen zu vergießen, ohne Betrübnis des Herzens und
Zittern der Hände eine Beschreibung davon machen? Am Tag der Einnahme
bewahrheitete sich das vom Propheten gesagte: Könige werden dein Erbe
antreten und deinen heiligen Tempel zerstören, aber eher deine heiligen
Gotteshäuser. Denn die Stadt Konstantins stellte eine Höhle von verruchten
Räubern und einen schmutzigen Platz von schlechten Leuten, Wohnung
und Niederlassung von allen Übeltätern dar. Sie drangen in das prächtige
Gotteshaus der Heiligen Sofia ein und traten alle Abbildungen der Heiligen
mit Füßen, verunzierten und zerbrachen sie, verunstalteten sie mit jeder Art
von Schmähungen, Schändlichkeiten und Schmutz. Ähnliche Behandlungen
ließen sie den Paramenten zuteilwerden. Das gleiche Verhalten zeigte sich
den Priestern gegenüber von jenen, die lärmend die Altäre bestiegen und
stürmten und Mohammed Lob priesen, den sie allen als Propheten aller
Propheten und Zerstörer des christlichen Glaubens verkündeten. Sofort
stiegen diese türkischen Übeltäter auf das Dach des Gotteshauses der
Heiligen Sofia und warfen das Kreuz, das auf der Spitze stand, herunter.
Was werde ich von den heiligen Körpern sagen, die sie plünderten und
zerstörten, indem sie sie den Hunden vorwarfen. Ähnliche Handlungen
richteten sie gegen die heiligen Gewänder, die als Bedeckung und Schmuck
auf den Darstellungen des Herrn, der Jungfrau Maria und dem heiligsten
Leiden und Wunder Christi sich befanden. Während sie unseren heiligsten
Glauben verspotteten, sollten ihre gegen die heiligen Kelche gerichteten
Untaten beschrieben werden. Während ich das erzähle, zittere ich sehr und
kann nicht mehr sprechen noch schreiben: Derart und dermaßen sind die
Übeltaten, von denen ich zur Zeit berichten werde, aber was werde ich von
den lateinischen und griechischen Klöstern und Gebäuden sagen? Sie
schändeten wahrlich die Mönche und Kirchengeräte der Klöster und
Kirchen Gottes. Andere Verbrechen begannen sie gegenüber berühmten
und vornehmen Gästen und Hausbewohnern, die nun nicht in Staunen versetzen.

 

Briefschluss


Es folgt ein anderer, an den Papst gerichteter Brief des großen Khan


(Übersetzung: Christine Maria Grafinger)

 

Chronik des Gregorios Sphrantzes 


Biblioteca Apostolica Vaticana, Ottob. gr. 260, f. 173r-177v
 

Am byzantinischen Hof war man sich der türkischen Bedrohung
vollkommen bewusst und die Verantwortlichen berieten mit dem Kaiser,
wie am Hof dieser Gefahr am besten entgegengetreten werden sollte. Der
Sultan (= Mehmed), der von Adrianopel aufgebrochen war, erreichte am
26. März 1452 die byzantinische Hauptstadt und begann mit der Errichtung
einer Festung.
Im Juni desselben Jahres brach der Krieg aus. Eine Eskorte der Türken
nahm Byzantiner, die sich außerhalb der Mauern aufhielten, gefangen und
verstärkte die Festung.
Nach Abschluss und Prüfung der durchgeführten Arbeiten am
Befestigungswerk begab sich der Sultan Anfang September nach
Adrianopel. Im Herbst erreichten die Truppen unter Thurakhan Morea, dort
wurde dann einer der Söhne des türkischen Befehlshabers von den
Inselbewohnern gefangen genommen.
Am 17. Januar 1453 kam Andreas Paleologo, der Nachkomme und Erbe der
herrschenden Dynastie, zur Welt.
Am 4. April tauchte der Sultan wieder vor der Stadt auf und belagerte sie
mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln von der Land- und Seeseite,
also 400 großen und kleinen Schiffen und 200 000 Soldaten, während in der
Stadt selbst nur 4 778 Männer aufgestellt wurden, die Fremden
ausgeschlossen, die kaum 200 oder etwas mehr ausmachten.
Mir war diese Situation wegen folgender Tatsachen bewusst. Der Kaiser
hatte eine Anweisung zur genauen nach Stadtteilen geordneten Aufnahme
der zur Verteidigung stehenden Kräfte – Laien wie Geistliche – und der
Waffen, über die sie verfügten, gegeben.
Zu mir sagte er: „Dir, dem guten Rechner und Bewahrer von Geheimnissen
gebe ich den Auftrag, genau festzustellen über wieviel Männer, Waffen,
Speere, Schilder und Bogen wir verfügen.“ Nach Ausführung des Befehls
übergab ich ihm mit großem Schmerz und Traurigkeit die Liste, das Ausmaß
der Streitkräfte bleibt nur ein Geheimnis zwischen ihm und mir.
Am Dienstag, den 29. Mai, nahm der Sultan sehr früh am Morgen die Stadt
ein. In der Stunde der Einnahme der Stadt wurde mein Herr, der Kaiser
Konstantin Paleologo, getötet, ich befand mich in diesem Augenblick nicht
an seiner Seite, weil ich auf seine Anordnung einen anderen Stadtteil

inspizierte. Ich wusste nicht, welches Schicksal der Vorsehung mich
bewahrte.
Das Leben des Kaisers und Märtyrers dauerte 49 Jahre, 3 Monate und 20
Tage, davon war er 4 Jahre, 4 Monate und 24 Tage Kaiser und er war der
achte Kaiser aus dem Geschlecht der Paleologen. Der erste war tatsächlich
Michael, der zweite Andronico, der dritte Michael, der vierte Andronico, der
fünfte Johannes, der sechste Manuel, der siebte Johannes und der achte
Konstantin. Das Geschlecht der Paleologen regierte und leitete die Stadt
durch 194 Jahre 10 Monate und vier Tage.
Ich Unglücklicher wurde dann festgenommen und allen Qualen und Übeln
der Gefangenschaft unterworfen und wurde schließlich freigekauft und
erreichte am 1. September 1453 Mistrà, während meine Frau und Kinder
von alten und braven Türken gefangen wurden, die ihrerseits sie an den
mirahur des Sultan wiederverkauften, d.h. an seinen Reichsmarschall, der
auch viele andere schöne Damen kaufte und damit viel verdiente.
Aber weil die Schönheit und andere Tugenden meiner Kinder nicht
verborgen bleiben konnten, bekam der Sultan davon Kenntnis, nahm sie an
sich und gab dem mirahur viele tausend Geldstücke. Es blieb nur die
unglückselige Mutter mit ihrer einzigen Lieblingstochter, während die
anderen aufgeteilt worden sind.
Jemand könnte fragen, was der Kaiser während des Krieges und in der Zeit,
als der Sultan seine Vorbereitungen traf, getan hat und was die Christen
außerhalb zur Unterstützung taten.
Was die Christen außerhalb betrifft, ist es offensichtlich, dass sie fast nichts
machten. Ja, als ein Beamter des Sultans zu Georg, dem Despoten von
Serbien, geschickt wurde, damit er die Vermittlung eines Friedens mit den
Ungarn übernehme, wurde von einigen Türken dem abreisenden
Botschafter ein christlicher Sekretär zur Seite gestellt, der den Despoten
unterweisen sollte, wie man den Frieden hinauszögere, denn wenn mit den
Ungarn Frieden geschlossen worden wäre, hätte der Sultan sofort
Konstantinopel angegriffen. Dieser sagte jedoch kein Wort, der Unselige
ignorierte, was geschehe, dass, wenn der Kopf vom Körper geschlagen
werde, die Glieder tot sind!
Was die Venezianer betrifft, fand eine große Beratung statt, der Doge
Francesco Foscari widersetzte sich nicht aus Torheit (auch der Herr Kaiser
Johannes sagte mir tatsächlich und so auch andere, dass sie in Italien
keinen weiseren Menschen getroffen oder je gesehen hätten), sondern aus
Missgunst und Neid: „Der Neid weiß nicht zu schätzen, was ihm gut tut.“
Das war das Motiv. Der verstorbene Alvise Diedo hatte sich zum Vermittler
gemacht, dass mein Herr Konstantin, der Despot und Herr von Morea war,

die Tochter des Dogen mit einer reichen Mitgift zur Frau nehme, mein Herr
(nicht wegen der Mitgift, sondern weil er und sein Gebiet eine Einheit mit
Venedig bilden) stimmte dieser Heirat zu und ich war noch mehr als die
anderen dafür und drängte ihn dazu: Und so war es vor dem Ereignis.
Doch als dieser Kaiser wurde und in die Stadt kam, ist diese Heirat wahrlich
unvorteilhaft geworden: Welcher Baron oder welche Baronin der Stadt hätte
die Tochter eines Venezianers als Frau und Kaiserin angenommen (auch
wenn er berühmt und Doge ist, jedoch nur vorübergehend) oder hätte die
anderen Schwiegersöhne von ihm als Verwandte des Kaisers akzeptiert oder
die Söhne als seine Schwager? Als er daher diese Forderung stellte, wurde
es abgelehnt und er wurde zum Feind. Und obwohl die edlen Alvise
Loredan, Antonio Diedo und viele andere nachdrücklich darauf drängten,
ihn zu überzeugen, falls Konstantinopel eingenommen werde, sich auch
ihre Signoria in höchster Gefahr befände, gelang es ihnen nicht, zu einem
Schluss zu kommen.
Welche Sorgen machte sich da die Kirche von Rom? Während sich der
Kardinal von Russland in der Stadt aufhielt, war ich in seinem Auftrag der
Vermittler beim ehrwürdigen und seligen Kaiser, meinem Herrn, damit
dieser zum Patriarch gemacht werde und von ihm und vom Papst wäre
damals das und das andere gekommen; oder dass der Papst wenigstens in
der Liturgie erwähnt würde.
Nach vielen Diskussionen, heimlichen Zusammenkünften und Projekten,
schien dieses gut zur Ehre des Kaisers: Die erste Möglichkeit wurde gar
nicht in Erwägung gezogen, weil es, wenn er zum Patriarchen geworden,
notwendig wäre, dass ihm alle gehorchen oder dass zwischen ihm und
denen, die sich nicht unterwerfen, Feindseligkeit und ein großer Streit
entstehe und wir in einer Zeit, während uns der Krieg von außen droht,
auch einen Krieg im Innern hätten, wie schrecklich! Was die Erwähnung
der Liturgie angeht, geschieht es in der Hoffnung, Unterstützung in der Not
zu erhalten, und die, die daran teilnehmen wollen, finden sich in der
Heiligen Sofia ein: Die anderen sind von der Verantwortung entbunden und
werden in Frieden gelassen. Das geschah am 12. Dezember und jetzt nach
sechs Monaten machen sich viele Sorgen uns zu helfen um so mehr der
Sultan von Kairo!


(Übersetzung: Christine Maria Grafinger)