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Der Begriff „Kulturkampf“ wurde von dem Liberalen Rudolf Virchow in einem Wahlpamphlet geprägt. Er bezeichnet die Konfrontation zwischen dem jungen Kaiserreich und der katholischen Kirche in den Jahren 1871 bis 1878. Reichskanzler Bismarck und der preußische Kultusminister Adalbert Falk fanden Rückhalt bei den liberalen Parteien des Reichstages, für die sich in diesem Schlagwort das Emanzipationsbestreben des modernen Staates gegenüber der römischen Kirche verdichtete.

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1. Transkription zu Dokument 2

Der Brief des Papstes an den deutschen Kaiser vom 7. August 1873 in einer Abschrift


Majestät!
Alle Anordnungen, welche seit einiger Zeit von der Regierung Eurer Majestät getroffen werden, zielen immer mehr auf die Zerstörung des Katholizismus hin. Wenn ich indessen bei mir selber über die Ursachen nachdenke, welche zu jenen sehr harten Maßregeln die Veranlassung gegeben haben können, so gestehe ich keine zu finden. Andererseits sagt man mir, dass Eure Majestät die Haltung Ihrer Regierung nicht billige und die Strenge der Maßregeln gegen die katholische Religion nicht gutheiße. Aber wenn es wahr ist, dass Eure Majestät dies nicht billigt, und die Briefe, welche sie in vergangener Zeit geschrieben hat, würden es zur Genüge beweisen, dass sie es nicht billigen kann, was alles jetzt geschieht; wenn Eure Majestät, sage ich, es nicht billigt, dass von Ihrer Regierung auf der begonnenen Bahn weiter fortgeschritten wird und die harten Maßregeln gegen die Religion Jesu Christi vervielfältigt werden, die indessen der letzteren zu so großem Nachteile gereichen, wird Eure Majestät dann versichert sein, dass dieselben nichts anderes zuwege bringen, als den Thron Euer Majestät selber zu unterwühlen? Ich spreche mit Freimut, denn die Wahrheit ist mein Panier, und ich spreche, um einer meiner Pflichten in erschöpfendem Maße nachzukommen, die mir auferlegt, allen das Wahre zu sagen, und auch dem, der nicht Katholik ist; denn jeder, welcher die Taufe empfangen hat, gehört in irgend einer Art und in irgend einer Weise, welche [hier] nicht der Ort ist, darzulegen gehört, sage ich, dem Papste an. Ich bin überzeugt, dass Eure Majestät mit Ihrer gewohnten Courtoisie meine Erwägungen entgegennehmen und diejenigen Maßregeln ergreifen wird, welche im vorliegenden Falle erfordert werden. Unterdessen bitte ich Gott mit der Fülle von Ehrfurcht und Ergebung, Sie mit mir mit den Banden der gleichen Liebe zu vereinigen.
                                                                                                                                                                                        gez. Pio, P. M.


2. Transkription zu Dokument 3

Die Antwort Kaiser Wilhelms I. an Papst Pius IX. vom 3. September 1873 in einer Abschrift


Ich bin erfreut, dass Eure Heiligkeit Mir, wie in früheren Zeiten, die Ehre erweisen, Mir zu schreiben; Ich bin es umsomehr, als Mir dadurch die Gelegenheit zuteil wird, Irrtümer zu berichtigen, welche nach Inhalt des Schreibens Eurer Heiligkeit vom 7. August in den Ihnen über deutsche Verhältnisse zugegangenen Meldungen vorgekommen sein müssen. Wenn die Berichte, welche Eurer Heiligkeit über deutsche Verhältnisse erstattet wurden, nur Wahrheit meldeten, so wäre es nicht möglich, dass Eure Heiligkeit der Vermutung Raum geben könnten, dass Meine Regierung Bahnen einschlüge, welche Ich nicht billigte. Nach der Verfassung Meiner Staaten kann ein solcher Fall nicht eintreten, da die Gesetze und Regierungsmaßregeln in Preußen Meiner landesherrlichen Zustimmung bedürfen.
Zu meinem tiefen Schmerze hat ein Teil Meiner katholischen Untertanen seit zwei Jahren eine politische Partei organisiert, welche den in Preußen seit Jahrhunderten bestehenden konfessionellen Frieden durch staatsfeindliche Umtriebe zu stören sucht. Leider haben höhere katholische Geistliche diese Bewegung nicht nur gebilligt, sondern sich ihr bis zur offenen Auflehnung gegen die bestehenden Landesgesetze angeschlossen. Der Wahrnehmung Eurer Heiligkeit wird nicht entgangen sein, dass ähnliche Erscheinungen sich gegenwärtig in der Mehrzahl der europäischen und in einigen überseeischen Staaten wiederholen.
Es ist nicht meine Aufgabe, die Ursachen zu untersuchen, durch welche Priester und Gläubige einer der christlichen Konfessionen bewogen werden können, den Feinden jeder staatlichen Ordnung in Bekämpfung der letzteren behilflich zu sein; wohl aber ist es Meine Aufgabe, in den Staaten, deren Regierung Mir von Gott anvertraut ist, den innersten Frieden zu schützen und das Ansehen der Gesetze zu wahren. Ich bin Mir bewußt, dass Ich über Erfüllung dieser Meiner königlichen Pflicht Gott Rechenschaft schuldig bin, und Ich werde Ordnung und Gesetz in Meinen Staaten jeder Anfechtung gegenüber aufrecht halten, so lange Gott Mir die Macht dazu verleiht; Ich bin als christlicher Monarch dazu verpflichtet, auch da, wo Ich zu Meinem Schmerz diesen königlichen Beruf gegen die Diener einer Kirche zu erfüllen habe, von der Ich annehme, dass sie nicht minder wie die evangelische Kirche das Gebot des Gehorsams gegen die weltliche Obrigkeit als einen Ausfluss des uns geoffenbarten göttlichen Willens erkennt.
Zu Meinem Bedauern verleugnen viele der Eurer Heiligkeit unterworfenen Geistlichen in Preußen die christliche Lehre in dieser Richtung und setzen Meine Regierung in die Notwendigkeit, gestützt auf die große Mehrheit Meiner treuen katholischen und evangelischen Untertanen, die Befolgung der Landesgesetze durch weltliche Mittel zu erzwingen. Ich gebe Mich gern der Hoffnung hin, dass Eure Heiligkeit, wenn von der wahren Lage der Dinge unterrichtet, Ihre Autorität werden anwenden wollen, um der unter bedauerlicher Enstellung der Wahrheit und unter Missbrauch des priesterlichen Ansehens betriebenen Agitation ein Ende zu machen. Die Religion Jesu Christi hat, wie ich Eurer Heiligkeit vor Gott bezeuge, mit diesen Umtrieben nichts zu tun, auch nicht die Wahrheit, zu deren von Eurer Heiligkeit angerufenem Panier Ich Mich rückhaltlos bekenne.
Noch eine Äußerung in dem Schreiben Eurer Heiligkeit kann ich nicht ohne Wiederspruch übergehen, wenn sie auch nicht auf irrigen Berichterstattungen, sondern auf Eurer Heiligkeit Glauben beruht, die Äußerung nämlich, dass jeder, der die Taufe empfangen hat, dem Papste angehöre. Der evangelische Glaube, zu dem Ich Mich, wie Eurer Heiligkeit bekannt sein muss, gleich Meinen Vorfahren und mit der Mehrheit Meiner Untertanen bekenne, gestattet uns nicht, in dem Verhältnis zu Gott einen anderen Vermittler als unseren Herrn Jesum Christum anzunehmen. Diese Verschiedenheit des Glaubens hält mich nicht ab, mit denen, welche den unseren nicht teilen, in Frieden zu leben und Eurer Heiligkeit den Ausdruck Meiner persönlichen Ergebenheit und Verehrung darzubringen. 
                                                                                                                                                                                          gez. Wilhelm