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Zweibund 1879

Der Zweibund 1879

Zur Zeit des Bündnisvertrages zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn im Jahre 1879, der in den Geschichtsdarstellungen allgemein als Zweibund bezeichnet wird, existierte die alte Ordnung Europas, wie sie sechzig Jahre zuvor auf dem Wiener Kongress von 1815 geschaffen worden war, nicht mehr. Sie war einem beweglichen multipolaren Gleichgewichtssystem gewichen, das durch häufiger wechselnde, den momentanen Erfordernissen verpflichteten Allianzen der Großmächte charakterisiert war.

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    Inhalt

    Transkriptionen

    • Abschrift eines Briefes des Fürsten Bismarck an Graf Andrássy (Dok. 1)
    • Bericht des Honorar-Legationssekretärs Rudolf Graf von Montgelas an Baron Heinrich von Haymerle (Dok. 2)
    • Deutsche Ratifikation des zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn am 7. Oktober 1879 in Wien geschlossenen Bündnisvertrages (Dok. 3)

     


    1. Abschrift eines Briefes des Fürsten Bismarck an Graf Andrássy (Dok. 1)

    Abschrift eines Briefes des Fürsten Bismarck an Grafen Andrássy, ddo. Gastein,
    den 20. September 1879

    Verehrter Herr Graf,
    in Anknüpfung an mein ergebenstes Schreiben vom 3. d. M. beehre ich mich meine durch dasselbe vorbereitete Beantwortung des gefälligen Schreibens Eurer Excellenz vom 1. d. M. nunmehr zu vervollständigen. Ich habe dem Kaiser, meinem allergnädigsten Herrn, über die Situation nach Maßgabe des Inhalts unserer hiesigen Besprechungen wiederholt und ausführlich Bericht erstattet und die Ueberein stimmung meiner mich vertretenden Kollegen mit meinen, Eurer Excellenz bekannten Ansichten, hat es mir ermöglicht die Schwierigkeiten, welche durch die geografische Entfernung und durch entgegengesetzte Einwirkungen von anderer Seite hervorgebracht wurden, insoweit zu überwinden, dass ich die Uebereinstimmung Seiner Majestät des Kaisers mit der Auffassung, welche mich bei unseren jüngsten Besprechungen geleitet hat, im Princip habe feststellen können. Nach amtlicher Mittheilung meines Stellvertreters, des Grafen Stolberg-Wernigerode ist der Kaiser bereit einer Verabredung zuzustimmen, vermöge deren beide Mächte sich gegenseitig versprechen, auch ferner für die Erhaltung des Friedens und namentlich für die Pflege ihrer friedlichen Be zie hungen mit Russland einzutreten, in dem Fall aber, dass eine von ihnen von einer oder von mehreren Mächten angegriffen werden sollte, diesen Angriff mit ganzer Macht gemeinsam abzuwehren. Ich bin hiernach von meinem allergnädigsten Herrn ermächtigt, eine Defensiv-Allianz zwischen Oesterreich-Ungarn und dem deutschen Reiche bedinglos und mit oder ohne bestimmte Zeitdauer vorzuschlagen. Ich bitte Eure Excellenz ergebenst über diesen Vorschlag in mündliche Besprechung mit mir eintreten zu wollen. Das Ergebnis unserer Verhandlungen würde ich meinem allergnädigsten Herrn zur Genehmigung zu unterbreiten haben. An dieser Genehmigung besteht für mich kein Zweifel, wenn Eure Excellenz in der Lage sind, dem diesseitigen Vorschlage in der Einfachheit und Allgemeinheit, wie er gemacht wird, im Namen Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph zuzustimmen. Jedenfalls werde ich mich glücklich schätzen, wenn unsere Besprechungen dieses oder jedes andere, den übereinstimmenden Interessen beider Reiche und dem Frieden Europas förderliche Resultat herbeiführen.

    In freundschaftlicher Verehrung verbleibe ich von Herzen
    Ihr ergebenster
    Bismarck


    2. Bericht des Honorar-Legationssekretärs Rudolf Graf von Montgelas an Baron Heinrich von Haymerle (Dok. 2)

    Montgelas an Haymerle, Bericht aus London, 8. Oktober 1879

    Nr. 64a-b
    London, den 8. Oktober 1879
    präsentiert 13.10.1879

    Seiner Exzellenz,
    dem Herrn Freiherrn von Haymerle etc, Wien

    Hochwohlgeborener Freiherr!

    Die im Laufe der letzten Wochen den weiteren Kreisen erst mehr anschaulich gewordene deutsch-österreichische Entente erfreut sich nicht nur in Regierungskreisen sondern auch beim großen Publikum hier der aufrichtigsten Sympathien. Die Regierung erblickt darin mit begreiflicher Genugthuung den offenkundigen Beweis des Gelingens ihrer Politik, welche, wie ich mir in einem am 31. Mai 1876 an Seine Exzellenz den Grafen Beust gerichteten Promemoria zu bemerken erlaubte, „schon zur Zeit des Berliner Memorandums ein doppeltes Ziel im Auge hatte: Sprengung des Drei Kaiser Bündnisses und Annäherung in erster Linie an Oesterreich-Ungarn, in zweiter an Deutshland.“
    Die öffentliche Meinung erblickt mit Behaglichkeit in der Entente das Unterpfand des Friedens und den Beweis der Isolierung Rußlands. Vertrauensvoll sieht man den weiteren Consequenzen entgegen, deren Bethätigung in der nahen Zukunft mehr instinktiv gefühlt als selbstbewußt vorausgesehen wird. Charakteristisch ist die Antwort Lord Beaconsfield’s auf eine von einem Freunde vorgestern an ihn gerichtete Frage „ob er glaube, daß Alles gut gehe.“ „Ich finde immer daß Alles gut geht, wenn gescheute Leute die Leitung der Dinge in die Hand nehmen.“ (Ein Zusammenhang dieser Antwort mit dem in meinem heutigen vertraulichen Privatschreiben Erwähnten
    scheint naheliegend.)


    Genehmigen Eure Excellenz den Ausdruck meiner tiefsten Ehrfurcht.
    R(udolf) Montgelas


    Nr. 64 A-B
    London, den 8. Oktober 1979
    Graf Montgelas
    Die österreichisch-deutsche Entente
    Englischer Courrier


    3. Deutsche Ratifikation des zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn am 7. Oktober 1879 in Wien geschlossenen Bündnisvertrages (Dok. 3)

    Deutsche Ratifikation des Zweibundvertrages, Baden-Baden 16. Oktober 1879

    Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc. Urkunden und bekennen hiermit: Nachdem der von Unserm Bevollmächtigten, Unserm Botschafter Prinzen Heinrich VII. Reuß, und dem Bevollmächtigten Seiner Majestät des Kaisers von Oesterreich und Königs von Ungarn, Grafen Julius Andrássy von Csik-Szent-Kriály und Kraßna-Horka, Seiner Apostolischen Majestät Minister des Kaiserlichen Hauses und des Aeußern, am 7. Oktober d. Js. in Wien unterzeichnete Vertrag, welcher wörtlich also lautet: In Erwägung, daß Ihrer Majestäten der deutsche Kaiser, König von Preußen und der Kaiser von Oesterreich, König von Ungarn, es als Ihre unabweisliche Monarchenpflicht erachten müssen, für die Sicherheit Ihrer Reiche und die Ruhe Ihrer Völker unter allen Umständen Sorge zu tragen;

    In Erwägung, daß beide Monarchen ähnlich wie in dem früher bestandenen Bundesverhältnisse durch festes Zusammenhalten beider Reiche im Stande sein werden, diese
    Pflicht leichter und wirksamer zu erfüllen;

    In Erwägung schließlich, daß ein inniges Zusammengehen von Oesterreich-Ungarn und Deutschland Niemanden bedrohen kann, wohl aber geeignet ist, den durch die Berliner Stipulationen geschaffenen europäischen Frieden zu consolidiren, haben Ihre Majestäten der Kaiser von Deutschland und der Kaiser von Oesterreich, König von Ungarn, indem sie einander feierlich versprechen, daß sie Ihrem rein defensiven Abkommen eine aggressive Tendenz nach keiner Richtung jemals beilegen wollen, einen Bund des Friedens und der gegenseitigen Vertheidigung zu knüpfen beschlossen. Zu diesem Zwecke haben Allerhöchstdieselben zu Ihren Bevollmächtigten ernannt: Seine Majestät der deutsche Kaiser Allerhöchst Ihren außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter, General-Lieutenant Prinzen Heinrich VII. Reuß etc., Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich, König von Ungarn, Allerhöchst Ihren wirklichen Geheimen Rath, Minister des Kaiserlichen Hauses und des Aeußern, Feldmarschall-Lieutenant Julius Grafen Andrássy von Csik-Szent-Király und Kraszna-Horka etc., welche sich zu Wien am heutigen Tage vereinigt haben und nach Austausch ihrer gut und genügend befundenen Vollmachten übereingekommen sind, wie folgt:

    Artikel I
    Sollte wider Verhoffen und gegen den aufrichtigen Wunsch der beiden hohen Contrahenten Eines der beiden Reiche von Seite Rußlands angegriffen werden, so sind die hohen Contrahenten verpflichtet, Einander mit der gesammten Kriegsmacht Ihrer Reiche beizustehen und demgemäß den Frieden nur gemeinsam und übereinstimmend zu schließen.

    Artikel II
    Würde einer der hohen contrahirenden Theile von einer anderen Macht angegriffen werden, so verpflichtet sich hiermit der andere hohe Contrahent, dem Angreifer gegen seinen hohen Verbündeten nicht nur nicht beizustehen, sondern mindestens eine wohlwollende neutrale Haltung gegen den Mitcontrahenten zu beobachten. Wenn jedoch in solchem Falle die angreifende Macht von Seite Rußlands, sei es in Form einer activen Cooperation, sei es durch militärische Maßnahmen, welche den Angegriffenen
    bedrohen, unterstützt werden sollte, so tritt die im Artikel I dieses Vertrages stipulirte Verpflichtung des gegenseitigen Beistandes mit voller Heeresmacht auch in diesem Falle
    sofort in Kraft, und die Kriegführung der beiden hohen Contrahenten wird auch dann eine gemeinsame bis zum gemeinsamen Friedensschluß.

    Artikel III
    Die Dauer dieses Vertrages wird vorläufig auf fünf Jahre vom Tage der Ratifikation festgesetzt. Ein Jahr vor Ablauf dieses Termins werden die beiden hohen Contrahenten über die Frage, ob die dem Vertage zur Grundlage dienenden Verhältnisse noch obwalten, in Verhandlungen treten und über die weitere Dauer, oder eventuelle Abänderung einzelner Modalitäten übereinkommen. Wenn im Verlaufe des ersten Monates des letzten Vertragsjahres die Einladung zur Eröffnung dieser Verhandlungen von keiner Seite erfolgt, so gilt der Vertrag als für die weitere Dauer von drei Jahren erneuert.

    Artikel IV
    Dieser Vertrag soll in Gemäßheit seines friedlichen Charakters und um jede Mißdeutung auszuschließen von beiden hohen Contrahenten geheimgehalten und einer dritten Macht nur im Einverständnisse beider Theile und nach Maßgabe specieller Einigung mitgetheilt werden. Beide hohe Contrahenten geben sich nach den bei der Begegnung in Alexandrowo ausgesprochenen Gesinnungen des Kaisers Alexander der Hoffnung hin, daß die Rüstungen Rußlands sich als bedrohlich für Sie in Wirklichkeit nicht erweisen werden, und haben aus diesem Grunde zu einer Mittheilung für jetzt keinen Anlaß; sollte sich aber diese Hoffnung wider Erwarten als eine irrthümliche erweisen, so würden die beiden hohen Contrahenten es als eine Pflicht der Loyalität erkennen, den Kaiser Alexander mindestens vertraulich darüber zu verständigen, daß Sie einen Angriff auf Einen von Ihnen als gegen Beide gerichtet betrachten müßten.

    Artikel V
    Dieser Vertrag wird seine Giltigkeit durch die Genehmigung der beiden hohen Souveräne erhalten und nach erfolgter Genehmigung von Allerhöchstdenselben innerhalb vierzehn Tagen ratifiziert werden. Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag eigenhändig unterschrieben und ihre Wappen beigedrückt.

    Gesehen zu Wien, am 7. Oktober 1879
    Gezeichnet Heinrich VII. Prinz Reuß (L.S. [= locus sigilli], Siegel) Andrássy (L.S.)

    Uns vorgelegt und von Uns geprüft worden ist, so erklären Wir, daß Wir diesen Vertrag in allen seinen Artikeln und Bestimmungen hierdurch genehmigen und ratificieren, auch
    versprechen, denselben genau zu erfüllen und zu beobachten. Daß zu Urkund haben Wir die gegenwärtige Ratifications-Urkunde vollzogen und mit Unserm kaiserlichen Insiegel versehen lassen.
    Gegeben Baden-Baden, den 16. Oktober 1879
    Wilhelm
    Otto Graf von Stolberg

    Ratifications-Urkunde des zwischen dem Deutschen Reiche und Oesterreich-Ungarn
    am 7. Oktober 1879 zu Wien geschlossenen Vertrages.