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1896 hielt der Maler Ernst Henseler in einem aufwendig gestalteten Bild einen der letzten großen parla­mentarischen Auftritte Bismarcks fest: Bekannt war die Reichstagsrede vom 6. Februar 1888 vor allem wegen einer plakativen Formulierung, die der Reichskanzler gegen Ende seiner Ausführungen geäußert hatte: „Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt“ – Worte, die nicht nur sogleich von den Abgeordneten mit lebhaften Bravorufen aufgenommen wurden, sondern auch in der Öffentlichkeit ein überwältigendes Echo fanden.

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Übersetzung: Der Deutsch-Russische Rückversicherungsvertrag, 1887 (Dokument 1)

Die Kaiserlichen Höfe von Deutschland und Russland, von dem gleichen Wunsche beseelt, den allgemeinen Frieden durch eine Verständigung zu festigen, die die Verteidigungsstellung der beiderseitigen Staaten sichern soll, haben beschlossen, im Hinblick darauf, dass der Geheimvertrag und das Geheimprotokoll, die von Deutschland, Russland und Österreich-Ungarn im Jahre 1881 unterzeichnet und im Jahre 1884 erneuert wurden, am 15./27. Juni 1887 ablaufen, das zwischen ihnen bestehende Einvernehmen durch ein Sonderabkommen zu bekräftigen.

Zu diesem Zweck haben die beiden Höfe zu Bevollmächtigten ernannt: Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen:den Grafen Herbert von Bismarck-Schönhausen, Seinen Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Seine Majestät der Kaiser aller Reußen: den Grafen Paul Schuwalow, Seinen Außerordentlichen Gesandten und Bevollmächtigten Minister bei Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser, Könige von Preußen. Diese haben, mit Vollmachten versehen, die für gut und richtig befunden wurden, folgende Artikel vereinbart:

Artikel I.
Für den Fall, dass eine der hohen vertragschließenden Parteien sich mit einer dritten Großmacht im Kriege befinden sollte, wird die andere eine wohlwollende Neutralität bewahren und ihre Sorge darauf richten, den Streit örtlich zu begrenzen. Diese Bestimmung soll auf einen Krieg gegen Österreich oder Frankreich keine Anwendung finden, falls dieser Krieg durch einen Angriff einer der hohen vertragsschließenden Parteien gegen eine dieser beiden Mächte hervorgerufen ist.

Artikel II.
Deutschland erkennt die geschichtlich erworbenen Rechte Russlands auf der Balkanhalbinsel an und insbesondere die Rechtmäßigkeit seines vorwiegenden und entscheidenden Einflusses in Bulgarien und Ostrumelien. Die beiden Höfe verpflichten sich, keine Änderung des territorialen Status quo der genannten Halbinsel ohne vorheriges Einverständnis zuzulassen und sich gegebenenfalls jedem Versuche, diesem Status quo Abbruch zu tun oder ihn ohne ihr Einverständnis abzuändern, zu widersetzen.

Artikel III.
Die beiden Höfe erkennen den europäischen und gegenseitig bindenden Charakter des Grundsatzes der Schließung der Meerengen des Bosporus und der Dardanellen an, der begründet ist auf dem Völkerrechte, bestätigt durch die Verträge und zusammengefasst in der Erklärung des zweiten Bevollmächtigten Russlands in der Sitzung des Berliner Kongresses vom 12. Juli (Protokoll 19). Sie werden gemeinsam darüber wachen, dass die Türkei keine Ausnahmen von dieser Regel zugunsten der Interessen irgendeiner Regierung dadurch macht, dass sie den Teil des Reiches, den die Meerengen bilden, für militärische Operationen einer kriegführenden Macht hergibt. Im Falle einer Verletzung oder um einer etwa drohenden Verletzung vorzubeugen, werden die beiden Höfe der Türkei erklären, dass sie eintretendenfalls sie als im Kriegszustande gegenüber der verletzten Partei befindlich und die ihrem territorialen Status quo im Berliner Vertrage verbürgten Sicherheitswohltaten als verwirkt ansehen werden.

Artikel IV.
Der gegenwärtige Vertrag soll während eines Zeitraumes von 3 Jahren, gerechnet vom Tage des Austausches der Ratifikationen an, in Geltung bleiben.

Artikel V.
Die hohen vertragschließenden Parteien versprechen einander, über den Inhalt und das Bestehen des gegenwärtigen Vertrages und des beigefügten Protokolls Schweigen zu bewahren.

Artikel VI.
Der gegenwärtige Vertrag soll ratifiziert und die Ratifikationen sollen in Berlin binnen 15 Tagen, wenn möglich früher, ausgetauscht werden. Zu Urkund dessen haben die wechselseitigen Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und mit ihrem Wappensiegel versehen. Geschehen zu Berlin am 18. Juni 1887.

 (Siegel) Graf Bismarck

 (Siegel) Graf Paul Schuwalow

 

Ganz geheimes Zusatzprotokoll. Um die Bestimmungen der Artikel II und III des Geheimvertrages vom heutigen Tage zu vervollständigen, sind die beiden Höfe über folgende Punkte übereingekommen:

1. Deutschland wird wie bisher Russland beistehen, in Bulgarien eine geordnete und gesetzmäßige Regierung wiederherzustellen. Es verspricht, in keinem Falle seine Zustimmung zur Wiedereinsetzung des Prinzen von Battenberg zu geben.

2. In dem Falle, dass seine Majestät der Kaiser von Russland sich in die Notwendigkeit versetzt sehen sollte, zur Wahrung der Rechte Russlands selbst die Aufgabe der Verteidigung des Zuganges zum Schwarzen Meer zu übernehmen, verpflichtet sich Deutschland, seine wohlwollende Neutralität zu gewähren und die Maßnahmen, die Seine Majestät für notwendig halten sollte, um den Schlüssel seines Reiches in der Hand zu behalten, moralisch und diplomatisch zu unterstützen.

3. Das gegenwärtige Protokoll bildet einen untrennbaren Bestandteil des am heutigen Tage in Berlin unterzeichneten Geheimvertrages und soll dieselbe Kraft und Geltung haben. Zu Urkund dessen haben die wechselseitigen Bevollmächtigten es unterzeichnet und mit ihrem Siegel versehen.Geschehen zu Berlin am 18. Juni 1887.

 (Siegel) Graf Bismarck

 (Siegel) Graf Paul Schuwalow

 

(Übersetzung: Schwertfeger, Bernhard: Die diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes 1871 – 1914. Ein Wegweiser durch das große Aktenwerk der Deutschen Regierung. Erster Teil. Die Bismarck-Epoche 1871 – 1890. Berlin 1923. Nr. 1092, S. 315ff)