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Das Hambacher Fest

Die Massenkundgebung von Liberalen, Demokraten und Burschenschaftern gilt als Höhepunkt der bürgerlichen Opposition zu Beginn des Vormärzes.

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  • Brief des Fürsten von Metternich an Karl Philipp von Wrede vom 7. Juni 1832
 

 

 


Brief des Fürsten von Metternich an Karl Philipp von Wrede vom 7. Juni 1832

 

Eigenhändig                                                                                                        Wien, den 7. Juny 1832


Lieber Fürst! Ich habe Ihnen vor ein paar Tagen geschrieben und meinen Brief nach München geschickt, weil ich die Rückkehr des Königs auf die ersten Tage d. M. berechnet hatte und Sie demnach daselbst vermuthete. Ich hoffe, daß Ihnen Graf Spiegel meinen Brief zugesendet
haben wird.
Seit dem bemeldeten Schreiben hat der Hambacher Scandal stattgefunden. Über selben denken Sie sicher wie ich, denn unter vernünftigen und wohlgesinnten Männern kann über das Ereigniß nur eine Stimme obwalten.
In der Sache selbst bleibt heute nichts mehr übrig, als sie als eine Thatsache anzusehen, welche von der bayerischen Regierung in Beziehung auf ihre eigene Ehre, von den anderen deutschen Regierungen als Rückwirkung auf selbe, endlich von dem Bunde als eine Veranlassung zur Steuerung des gräulichsten Unfugs angefaßt werden muß.
Ich werde Ihnen in der Kürze meine Gefühle in dieser dreifachen Richtung aussprechen.
Die bayerische Regierung kann, ohne sich nicht dem Untergange preiß zu geben, die Ergebnisse von Hambach nicht ohne Ahndung vorüber gehen lassen. Bayerische Unterthanen haben auf bayerischem Grund und Boden offenkundige Attentate gegen den Regenten und die bestehende gesetzliche Ordnung der Dinge im Königreiche begangen. Die Regierung ist auf der Straße des Vertrauens vorgegangen; sie hat deßen Maaß erschöpft; ihr die Facktion gezeigt, wie es mit ihrem Versprechen steht. Tritt die Regierung nicht als Schützerin ihrer Rechte auf, so abdizirt sie.
Die anderen deutschen Staaten haben das Recht, darüber zu klagen, daß die stärkste – oder wenigstens die deutsche Regierung, welche die stärkste sein sollte – mit dem traurigen Beyspiele vorangegangen ist, zuerst die Schranken für eine deutsche Nationalvereinigung geöffnet zu haben. Wie sollen kleinere Regenten daß ferner verhindern, waß der König von Bayern nicht verhindern konnte? Dem letzteren steht es demnach zu, seinen Bundesgenoßen den Beweiß zu liefern, daß er dem erwiesenen Übel festen Sinnes entgegenzutretten, den festen Willen und die Macht hat. Thut er es nicht, so wäre es beßer, wenn er den sämmtlichen Regenten das Sauve qui peut zuriefe. Inacktion in Repreßivmaßregeln wird den vollen Werth dieses Ausrufes haben.
Es ist endlich die Pflicht des Bundes, alle jene Maßregeln in Berathung zu stellen und in Anwendung zu bringen, welche zu Sicherung seiner Erhaltung benöthigt sein werden. Die Angriffe zu Hambach hatten den deutschen Bund in seiner dermaligen Gestaltung zum Zwecke.
Die Worte sind nicht mehr verlarvt, – die Idee ist zur That geworden und daß, waß hinter der Decke verborgen lag, ist in ein helles Licht getretten.
In dieser Beziehung hat das Hambacher Ergebniß eine gute Seite – es kann benutzt werden, denn es hat die wahre Lage der Dinge deutlich ausgesprochen. Aber eben weil dieß der Fall ist, werden, wenn der Scandal unbenutzt vorüber gehen sollte, der König von Bayern, die anderen deutschen Fürsten und der Bund als politischer Körper das Ende ihrer Laufbahn erreicht haben.
Als auf eine Episode in dem Ganzen mache ich Sie – und dieß wahrscheinlicher ohne daß Sie es bedürfen – auf die sogenannte Adreße der Landauer Garnison aufmerksam. Ich sage die sogenannte, denn sie ist meiner vollen Überzeugung gemäß ein Machwerk der Facktion. Daß hier Licht geschaffen werden muß, ist sicher. Ich würde es bedauern, wenn dieß in der Form einer Adreße der Garnison geschähe, denn die Adressen der Militairkörper sind stets ein Übel.
Hätte ich einen Rath zu geben, so würde ich die Sache auf dem gewöhnlichen Dienstwege einleiten und das Resultat von Seite der Regierung als eine Ehrensache der Garnison bekannt machen, zugleich aber auf die Bestrafung des Erfinders der Lüge in dem Zeitblatte, welches sie zuerst verbreitete, ohne Schonung, bestehen. Ist es wahr, daß eine Adreße – wenn auch nur von einem Einzigen unterfertigt wurde, so muß dieser Einzige caßiert werden. Ist das Ganze eine Erfindung, so muß der Erfinder zur Ehrenrettung des angegriffenen Militairkörpers der Strafe der Verläumdung unterliegen. Geschieht dieß nicht, so hat Bayern keine Armee mehr.
Ein mir nicht unliebes Ereigniß ist das durch den alten Lafayette präsidirte Banquet vom 27.ten May. Durch selbes wird dem Hambacher Vereine der Siegel aufgedrückt. So viel muß jedem Beobachter bewiesen sein, daß das Comité directeur weit mehr von dem Zwecke des Vereines
wußte als die bayerische Regierung; denn sonst würden die Anstalten zu Paris nicht so richtig auf die zu Hambach gepaßt haben. Das sogenannte bayerische Verfaßungsfest ist also ein anderes gewesen?
Ich kann in der Sache nichts thun, als Ihre erste Anzeige über Art und Weise, wie man die Dinge zu München genomen hat, abzuwarten. In meinem Gefühle wie in meiner Hoffnung liegt es, daß man daselbst einsehen wird, daß Alles daß, was man nicht thut, ebenso viele Hilfe sein wird, welche man der Facktion bietet. S o blind kann die Regierung nicht sein, oder ist sie es, so hilft aller Rath auch nichts mehr.
Ich hoffe bald Nachricht von Ihnen zu erhalten. Ich werde Ihnen auf jeden Fall durch den Grafen Münch schreiben, der den Weg über München nehmen wird und den Fuß im Steigbiegel hat.
Leben Sie wohl, lieber Fürst, und erhalten mir Ihre Freundschaft.

 
                                                                                                                        Metternich



(Transkription: Viktor Bibl, Metternich in neuer Beleuchtung und sein geheimer Briefwechsel mit dem bayerischen Staatsminister Wrede, Wien 1928, S. 323 – 325.)